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Fliegender Handball in der Kölnarena

Handball-Rekordmeister VfL Gummersbach arbeitet erfolgreich an der Zukunft. Der Sieg über die HSG Düsseldorf beschert den besten Saisonstart seit 15 Jahren. Trainer Velko Kljaic erfreut sich am kraftvollen Tempospiel

KÖLN taz ■ Robert Heinrichs genoss noch ein wenig die Atmosphäre, noch Minuten nach dem Abpfiff blickte er in das weite Rund der Kölnarena. Vor 14.878 Zuschauern, wie am Samstag beim VfL Gummersbach, hat der bullige Kreisläufer der HSG Düsseldorf noch nie Handball gespielt, und die riesigen Ausmaße der Spielstätte waren ihm schon beim Aufwärmen bewusst geworden. „Wenn Du hier zurück in die Kabine willst, musst eine Viertelstunde laufen“, sagte er kopfschüttelnd. Nicht nur in den Dimensionen des Spielstätte unterscheiden sich die Düsseldorfer, die vor maximal 4.500 Zuschauern auflaufen, vom aufstrebenden Rekordmeister aus dem Oberbergischen. Zwar hatten die Düsseldorfer gefightet und die Partie bis zum 19:20 (41. Minute) offen gestaltet. Aber dann folgte der Kollaps. In den letzten zehn Minuten, räumte Heinrichs ein, „kriegen wir hier ganz schön den Arsch voll“. Nach einer Serie von Tempogegenstößen erhöhten die Gummersbacher noch auf 35:25 und kletterten mit dem vierten Sieg im vierten Spiel auf Platz Zwei der Tabelle.

Für den VfL scheint dieser Spielverlauf – nach langem Ringen noch einen Vorsprung herauszuwerfen – den Charakter eines Gesetzes anzunehmen, denn „je länger das Spiel dauert, desto stärker werden wir“, stellt Frank von Behren fest. Diese Qualität einer Spitzenmannschaft ist darauf zurückzuführen, das Trainer Velko Kljaic jede Position doppelt besetzt hat. Schwinden bei einem Spieler Kraft oder Konzentration, dann wird er ohne Konsequenz für das Niveau ausgetauscht. „Wir spielen mit fünf von sieben Spielern die 60 Minuten durch“, weiß auch Heinrichs die Dinge einzuordnen, „der VfL dagegen hat 14 Nationalspieler“. Wenn ein deutscher Nationalspieler wie Michael Hegemann, der voriges Jahr noch für die HSG zu den herausragenden Akteuren der Liga gehörte und nun beim VfL bisher fast nur in der Abwehr zum Einsatz komme, „dann braucht man über dieses Thema nicht mehr viele Worte zu verlieren“, findet Heinrichs.

Aber auch aus anderen Gründen zeigte sich Kljaic am Samstag mit der Leistung seines Teams zufrieden. „Wir haben aus fast allen Positionen getroffen“, freute sich der Kroate. Das Spiel sei seiner Philosophie vom „fliegenden Handball“ sehr nahe gekommen. Die besagt, dass sich die Rückraumspieler nicht in Einzelaktionen aufreiben, sondern den Ball in Hochgeschwindigkeit zirkulieren lassen sollen. Schließlich, klärte Kljaic schon vor Saisonbeginn auf, sei „niemand so schnell wie der Ball“.

Die in der Tat hoffnungsvollen spielerischen Ansätze gehen einher mit einem wachsenden Selbstbewusstsein. Dafür verantwortlich zeichnet speziell der Neuzugang aus Essen, Gudjon Valur Sigurdsson. Der isländische Weltklasse-Linksaußen wird vom Kölner Boulevard bereits als „nordischer Krieger“ (“Express“) gefeiert – weil seine Aktionen vor Entschlossenheit nur so strotzen und er den Eindruck vermittelt, notfalls auch durch Wände zu laufen. Die ganze Gestik Sigurdsson jedenfalls tut dem VfL spürbar gut. „Wir wissen, dass wir Großes leisten können“, hatte von Behren schon vor dem 27:26-Auswärtserfolg in Göppingen kundgetan. „In der letzten Saison hätte die Mannschaft da noch das Flattern gekriegt“, fasste Hans-Peter Krämer die wichtigste Fortschritt beim VfL zusammen. Gewänne der VfL nun auch die nächste Partie beim Aufsteiger aus Melsungen, weiß der Aufsichtsratsvorsitzende des Klubs, „dann ist hier am 1. Oktober die Hütte voll“. Dann kommen die Stars aus Lemgo, die Stephans, Schwarzers und Kehrmanns in die Kölnarena und müssen den weiten Gang in die Kabine antreten. ERIK EGGERS

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