Alles im grünen Bereich

Nach der ersten Hochrechnung Jubel bei der GAL: Schwarz-Gelb hat keine Mehrheit erreicht, die Grünen fahren zweitbestes Ergebnis ein, erneut zwei Mandate für die GAL in Aussicht bei runden 15 Prozent in der Hansestadt

Jens Kerstan strahlt: „53 Prozent für Rot-Grün in Hamburg – das ist super“, ruft der GAL-Landes-Vize und erntet frenetischen Jubel. Die Hamburger Grünen haben zur Wahlparty in die Kiez-Kneipe „Herzblut“ auf der Reeperbahn eingeladen. Die Basis ist in Siegerstimmung, dabei müssen die Grünen in Berlin wahrscheinlich in die Opposition wechseln.

Rund 200 Gäste sind nach St. Pauli gekommen – vor allem junge Leute drängeln sich in stickiger Enge durch die mit grünen Luftballons geschmückte Kneipe. Als kurz nach 18 Uhr die erste Hochrechnung auf der Großleinwand neben dem Tresen ausgestrahlt wird, legt sich der Lärm aus Stimmen und Musik: 34 Prozent für die SPD – ein Raunen geht durch die Menge.

Jubelschreie branden auf, als das Ergebnis der CDU eingeblendet wird: nur 35,5 Prozent für die Konservativen – der Saal tobt. Dass die Union Verluste einstecken muss, damit hat hier niemand gerechnet.

Als dann der grüne Balken eingeblendet wird, steigert sich der Jubel noch, manche Gäste umarmen sich, Schulterklopfen unter den gekommenen Abgeordneten: Die Grünen liegen bei 8,2 Prozent bundesweit, das hatten viele nicht mehr zu hoffen gewagt.

„Wir sind sehr glücklich und stolz“, kommentiert Kerstan das Ergebnis. Das klare Ziel der Grünen im Bund von mehr als acht Prozent sei damit erreicht worden. Dabei hatten die jüngsten Wahlumfragen die Grünen nur bei rund 7 Prozent gesehen.

Auch in Hamburg hat die GAL mit rund 15 Prozent zu diesem Zeitpunkt ihr Wunschergebnis so gut wie erreicht.

Die SPD schaffte es auf unerwartete 38 Prozent – für Kerstan eine Bestätigung der Hamburger für Rot-Grün in Berlin. GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager kann aufatmen: ihr Mandat im Bundestag ist sicher und ein zweites für Landeschefin Anja Hajduk immerhin in Aussicht.

„Eines hat sich gezeigt“, ruft Kerstan der klatschenden und trampelnden Menge zu, „zu kämpfen lohnt sich.“ Zwar reiche es nicht für eine Neuauflage von Rot-Grün, bedauert er: „Das hat die Linkspartei verhindert“, die es im Bund auf Anhieb auf 7,5 Prozent schaffte. Doch sei ein wichtiger Sieg das Scheitern von Schwarz-Gelb.

Grünen-Wähler Lars Burmeister aus St. Georg sagt denn auch: „Ich hätte mir ein noch stärkeres Ergebnis für die Grünen gewünscht.“ Gleichwohl sei er „zufrieden“. Offenbar, meint er, „sind eben ein paar nach Links abgewandert“. Nun hoffe er, sagt Burmeister, dass es keine große Koalition geben werde: „Das wäre Stillstand, dann lieber eine rot-rot-grünes Bündnis.“

Das wünscht sich auch ein 32-jähriger Arbeitsloser aus Eimsbüttel, der die Linkspartei.PDS gewählt hat und mit seiner Freundin, einer Grünen-Wählerin, ins „Herzblut“ gekommen ist: Die Koalition habe eine Quittung für Hartz IV und die Gesundheitsreform bekommen, meint er.

„Verwundert“ sei er nur über das Ergebnis der FDP von mehr als 10 Prozent, auf das der Saal mit Buh-Rufen und Pfiffen reagiert hatte: „Ich verstehe nicht“, sagt der Mann, „wie die Menschen bei den vielen Kürzungen in allen Bereichen auf Erleichterungen von Schwarz-Gelb hoffen.“ Eva Weikert