„Wir sagen ihnen ‚Passt auf euch auf!‘ “

GEWALT GEGEN FRAUEN Männer, die Frauen verstümmeln, sind hochgradig psychisch krank, sagt die Leiterin des Frauenhauses Bora, Pari Teimoori. Es seien dringend mehr Plätze für schutzsuchende Frauen nötig

■ ist seit 2003 Leiterin des Frauenhauses Bora. Das Haus hat 54 Plätze und existiert seit 1991.

taz: Frau Teimoori, letzte Woche wurde eine 35-jährige Frau in Schöneberg von ihrem Exfreund bei lebendigem Leib verstümmelt. Was war ihr erster Gedanke, als sie davon hörten?

Pari Teimoori: Ich habe es in der Zeitung gelesen. Meine erste Reaktion war: Hoffentlich ist es keine Klientin aus unserem Frauenhaus. Es war eine große Erleichterung, als ich festgestellt habe, dass ich die Frau nicht kenne.

Was geht in der Psyche von Männern vor, die Frauen verstümmeln?

Ein Mensch, der zu so was in der Lage ist, ist hochgradig psychisch krank. Das ist ein Ausmaß, für das ich keine andere Erklärung habe. Ein Gedanke, den ich bei solchen Horrornachrichten auch immer habe: wie gut und wichtig unsere Arbeit in diesem Antigewalthilfe-System für Frauen in Berlin ist. Das Problem ist nur: Die Frauenhäuser in Berlin sind voll. Es wird dringend ein weiteres Haus benötigt. Das fordern wir auch vom Senat.

Haben Sie schon mal erlebt, dass eine Ihrer Klientinnen getötet worden ist?

Ja, letztes Jahr. Der Mann war psychisch krank, hatte aber keine Einsicht. Die Frau kam zu uns. Sie war auch schwanger. Sie ist zu ihrem Mann zurückgegangen, um ihm noch eine Chance zu geben. Er hat sie mit zig Messerstichen ermordet. Für uns alle, besonders für die Sozialarbeiterin, die die Frau betreut hatte, war es ein Trauma.

Macht man sich Vorwürfe, die Frau nicht zurückgehalten zu haben?

Weniger. Das sind erwachsene Frauen. Sie sind für ihre Entscheidung selbst verantwortlich.

Wie bereiten Sie die Frauen, die das Frauenhaus verlassen wollen, auf diesen Schritt vor?

In der Zeit, in der die Frauen hier sind, versuchen wir sie in ihrer Persönlichkeit zu stärken und ermutigen sie, ihre Erfahrungen zu reflektieren. Wir bieten Selbstverteidigungskurse an und machen Selbstbehauptungstraining. Auch für die Kinder organisieren wir Hilfe. Wenn sich die Frau entscheidet, zu ihrem Mann zu gehen, übergibt ihr ihre Betreuerin beim Abschlussgespräch die Verantwortung mit den Worten „Pass auf dich auf!“. Sie bekommt auch ein Kärtchen mit allen Notfallnummern. INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE