Alke Wierth freut sich gern mit zwei glücklichen Afghaninnen und einer ebenso glücklichen Senatorin: Alle Achtung: Sie haben’s geschafft
Folgt man dem journalistischen Grundsatz, dass gute Nachrichten keine Nachrichten sind, sieht es in Themengebieten wie Bildung, Arbeit, Integration ziemlich schnell ziemlich düster aus – man stelle sich vor, über Sportler würde nur berichtet, wenn sie verlieren!
Macht man dagegen aus Bundeskanzlerin Angela Merkels „Wir schaffen das“ eine Frage, auf die es ernsthaft eine Antwort zu finden gilt, darf man auch mal „good news“ berichten.
Das hat sich wohl auch Integrationssenatorin Elke Breitenbach gedacht, die uns diese nachrichtenarme Spätsommerwoche mit Good News versüßt: Strahlend wie eine Lehrerin zwischen ihren Musterschülerinnen saß die Linke am Montag in ihrem Büro, rechts und links flankiert von zwei ebenfalls strahlenden jungen Damen, Schwestern aus Afghanistan.
Lehrstelle nach zwei Jahren
Und die beiden, Sahar Abdulqasem, 18, und Sara Abdulqasem, 17 Jahre alt, haben allen Grund zum Strahlen. Denn sie haben es tatsächlich geschafft. Vor fast genau zwei Jahren sind die beiden Schwestern mit ihrer Familie nach einer langen Flucht über Griechenland, die Türkei und den Iran, aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Mittlerweile haben die beiden nicht nur den Mittleren Schulabschluss (MSA) geschafft, sondern beide auch Ausbildungsverträge als Fachkraft für Bürokommunikation unterzeichnet.
Noch nicht ganz fehlerfrei, aber ziemlich flüssig ist das Deutsch, in dem die Schwestern von all dem erzählen, was sie seit ihrer Ankunft in Deutschland bis ins Büro der Integrationssenatorin katapultierte: neben dem Bildungserfolg Praktika im Landesamt für Geflüchtete und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Bamf, Theater- und Fotoprojekte, Stipendien der Start-Stiftung, die jungen EinwanderInnen nicht nur finanziell unter die Arme greift, sondern ihnen mit Feriencamps und Wochenendseminaren eine Art Intensivkurs Bundesrepublik verpasst.
Und die beiden Schwestern scheinen all das geradezu aufzusaugen: als hätten sie darauf gewartet. Der Grund dafür: Genau so war es wohl. Nur ein- oder zweimal pro Woche hätten sie in Kabul überhaupt zur Schule gehen können, erinnert sich Sara, die jüngere: Es sei meist zu gefährlich gewesen. Immer wieder hätten die Taliban die Zelte niedergebrannt, die die Mädchenschule nutzte. Außer zur Schule hätten sie das Haus überhaupt nicht verlassen können: „Zu gefährlich“, sagt Sahar. Stattdessen kaufte ihr Vater, ein Tischler, ihnen Bücher: „Er hat immer zu uns gesagt: Bitte lernt!“
Filme im Kino anschauen, Sport machen, bei einem Theaterprojekt selbst auf der Bühne stehen: undenkbar für Mädchen und Frauen in Afghanistan. Hier genießen Sahar und Sara diese Freiheiten – mit der Unterstützung ihrer Eltern. Wichtig, findet Senatorin Breitenbach: Denn vielen Geflüchteten im Alter der Mädchen, die ohne Eltern nach Deutschland kamen und diese aufgrund der restriktiven Flüchtlingspolitik der Bundesregierung auch nicht nachholen dürften, fehle genau dies: der Rückhalt der eigenen Familie.
Sahar und Sara Abdulqasem haben es geschafft – mit der Unterstützung von vielen. Ihnen sei weiterhin Glück gewünscht. Allen anderen wünschen wir, dass auch sie die Unterstützung bekommen, die sie benötigen.
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