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Der postmoderne Tausendsassa

HOMMAGE Peter Greenaway wird 75: Das Hamburger B-Movie widmet dem Kultregisseur der 1980er-Jahre, der eine Hassliebe zum Kino pflegt, im September eine kleine Werkschau

GreenawaysMultimedia-Projekt „The Tulse Luper Suitcases“ war eher monströs alsmonumental – und ein gigantischer Flop

„Das Kino ist an dem Tag gestorben, als die Fernbedienung erfunden wurden!“ Dieser Satz von Peter Greenaway bringt seine Hassliebe zum Kino schön und witzig auf den Punkt. Einerseits behauptet er, der Film wäre eine Kunstform, in der nichts Neues mehr erzählt werden könne. Andererseits macht er immer wieder Filme, die kaum noch ein Publikum finden und auch bei der Kritik nicht mehr auf Gegenliebe stoßen. Sein postmoderner Ansatz wirkt inzwischen eher altmodisch..

In den 1980er-Jahren aber war er ganz auf der Höhe der Zeit, etwa mit seinem historischen Verwirrspiel „Der Kontrakt des Zeichners“. Im B-Movie werden ab kommender Woche fünf von Greenaways Filmen gezeigt, darunter mit „Drowning by Numbers“ seine schwarze Komödie über drei Frauen, die ihre Männer umbringen und damit davonkommen, weil sie den Leichenbeschauer verführen. Der Film ist auch berühmt, weil Greenaway ihn als ein Suchrätsel konzipierte, in dem er die Zahlen von 1 bis 100 originell in seinen Bildkompositionen versteckte.

In „Prospero’s Books“ von 1991 dekonstruierte er Shakespeares „Sturm“: Mit der damals ganz neuen digitalen Schnitttechnik wirbelte er das Stück so durcheinander, dass ihm jeder Sinn ausgetrieben wurde und ein visuell überwältigendes Spektakel übrig blieb. Michael Nyman, bis dahin Komponist aller Greenaway-Filme, war empört, weil der Regisseur auch seinen Soundtrack zerstückelte: Nie wieder hat er mit ihm danach zusammengearbeitet.

„The Pillow Book“ von 1996 war der letzte an den Kassen und bei der Kritik erfolgreiche Film Greenaways. Hier arbeitete er mit japanischen Kalligrafien, die eine Autorin auf die Haut ihres Übersetzers malt. Als dieser stirbt, lässt ein Verleger seine Leiche ausgraben und enthäuten. Greenaways eher monströses als monumentales Multimedia-Projekt „The Tulse Luper Suitcases“, das drei Spielfilme, eine Fernsehserie, 92 DVDs, CD-Roms, Ausstellungen, Bücher und eine digitale Koffersuche im Internet umfasst, war Anfang des Jahrtausends ein gigantischer Flop.

Seither macht der Regisseur für seine Verhältnisse eher konventionelle Filme, so wie „Nightwatching“ von 2007, in dem erzählt wird, wie Rembrandt sein berühmtestes Bild „Die Nachtwache“ malte. Und „Eisenstein in Guanajuato“ über die Schwierigkeiten des schwulen Regisseurs Eisenstein im Regime Stalins, der auf der Berlinale von 2015 uraufgeführt wurde. „Greenaway auszuhalten bleibt harte Arbeit“, schrieb Dietrich Diederichsen damals in der taz. Im B-Movie kann man sich davon am 2. 9. nach dem Film an der Bar mit leckeren Cocktails erholen. hip

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