Warnung vor dem Teppich

Gesundheit Flüchtig, unsichtbar, eventuell gefährlich: Die EU-Kommission will die Grenzwerte für VOCs in der Raumluft anheben. Das Umweltbundesamt ist kritisch

Teppich in einer Kita – hoffentlich mit Ökosiegel Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Von Heike Holdinghausen

BERLIN taz | Innenräume in Deutschland könnten künftig stärker durch flüchtige organische Verbindungen (VOCs) belastet werden. Davor warnte gestern das Umweltbundesamt. VOCs ist eine Sammelbezeichnung für ganz unterschiedliche Stoffe und chemische Verbindungen wie Alkane, Aromaten, Terpene oder Ester. Ihnen gemein ist, dass sie Moleküle in die Umgebung abgeben und Kopfschmerzen, Schwindel, Allergien oder Atemwegserkrankungen auslösen können.

Bislang waren VOCs in Europa nicht einheitlich geregelt. In Deutschland galt ein Grenzwert von einem Milligramm VOC in einem Kubikmeter Luft in der Prüfkammer. „Das war schon eine ganze Menge“, sagt Wolfgang Plehn, Leiter des Fachgebiets für Stoffbezogene Produktfragen beim Umweltbundesamt.

Im Herbst will die EU-Kommission den Umgang mit VOCs vereinheitlichen und dabei den Grenzwert von einem Milligramm VOC in einem Kubikmeter streichen. „Künftig soll es nur noch Grenzwerte für einzelne Stoffe geben“ sagt Plehn. Die Gesamtbelastung im Innenraum könnte dann wieder steigen.

Wie gefährlich die „volatile organic compounds“ tatsächlich sind, ist dabei noch relativ unklar, handelt es sich doch über eine riesige Gruppe ganz unterschiedlicher Stoffe. „Während die gesundheitlichen Risiken von Formaldehyd, Holzschutzmitteln, Weichmachern, Flammschutzmitteln und anderen bereits seit Jahren bekannt sind“, schreibt der Baustoffexperte Josef Spritzendorfer in einem Arbeitspapier, „besteht noch immer eine hohe Uneinigkeit bezüglich der Gesundheitsgefährdung und des allergenen Potenzials durch die Belastung von Räumen mit unterschiedlichen VOCs“. Nicht nur aus Chemikalien wie Klebstoffen VOCs, sondern auch aus Naturstoffen wie Holz, betont Spritzendorfer und empfiehlt den Kauf „emissionsarmer Produkte“.

Nicht nur das ­Umweltbundesamt warnt vor Belastungen durch VOCs

Nicht nur das Umweltbundesamt warnt vor Belastungen durch die flüchtigen Chemikalien. In einer gemeinsamen Studie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) sowie die Städtischen Klinikums St. Georg in Leipzig fanden die Wissenschaftler einen Zusammenhang von VOC in der Raumluft und Atemwegserkrankungen bei Kleinkindern. „Wir raten daher davon ab, in Wohnungen von Schwangeren Laminat, Teppichboden oder Fußbodenbelag neu zu verlegen“, schlussfolgerten die Wissenschaftler. Besonders gefährdet seien Kinder von Eltern, die schon unter Allergien oder Asthma litten. Die Forscher betonten, der Einfluss der VOC auf Ungeborene habe sich in ihrer Untersuchung als höher herausgestellt als auf Babys. „Daher die Empfehlung, mit neuen Fußböden bis weit nach der Geburt zu warten“, so das UFZ.

Verbraucher könnten auf sinkende Grenzwerte reagieren, indem sie beispielsweise Bauprodukte mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“ kauften, sagt Plehn vom Uba. Allerdings sei das keine Alternative zu strengen Grenzwerten.