„Maximum an Optimismus“ hilft Schwarz-Grün nicht

Abgas-Prozess Richter in Stuttgart tendieren zu scharfen Maßnahmen gegen ältere Diesel-Pkw

„Wir glauben nicht, dass die blaue Plakette kommt“

Richter Wolfgang Kern

STUTTGART/BERLIN taz | Das für den 2. August geplante „Nationale Forum Diesel“ ist gut terminiert. Am Freitag davor will das Verwaltungsgericht Stuttgart sein Urteil zu möglichen Fahrverboten in der Neckarstadt verkünden. Die Chancen stehen gut, dass Dieselfahrzeuge mit schlechteren Abgaswerten als die Euro-6-Norm vorschreibt, ab 1. Januar um Stuttgart herumfahren müssen. Das zeichnete sich bei der mündlichen Verhandlung am Mittwoch ab. Damit hätte der Diesel-Gipfel, zu dem die Bundesregierung die Autohersteller geladen hat, einen engen juristischen Rahmen, der nach schnellen politischen und technischen Lösungen verlangt.

In der Verhandlung ging es darum, dass das Land Baden-Württemberg die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in Stuttgart seit langem nicht einhält. Auch den Luftreinhalteplan für die nächsten Jahre hält die Deutsche Umwelthilfe für nicht ausreichend, sie klagte gegen das grün-schwarz regierte Land.

Im März legte dieses einen neuen Entwurf vor, nach dem das Stadtgebiet ab 2020 zur „blauen Umweltzone“ werden soll. Dann dürften dort nur noch Diesel mit Euro-6-Norm sowie Pkw mit Ottomotoren und Elektroautos fahren. Für diese Fahrzeuge gäbe es eine blaue Plakette. „Ab 2020 könnten wir so die Grenzwerte einhalten“, versprach Christoph Erdmenger, Abteilungsleiter im Stuttgarter Verkehrsministerium. Nur: Die Bundesregierung müsste die Plakette einführen – und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt sie bisher rundweg ab. „Wir gehen deshalb davon aus, dass die blaue Plakette nicht kommt“, sagte der orsitzende Richter Wolfgang Kern. Das Land müsse also selbst aktiv werden.

Tatsächlich hatte dessen Plan­entwurf auch mögliche punktuelle Diesel-Fahrverbote ab 2018 vorgesehen. Diese Maßnahme hatte das Land aber kurz vor dem Prozesstermin „zurückgestellt“. Stattdessen setzt es auf Nachrüstung der Fahrzeuge. Das Land wolle, so Erdmenger, die „kaum für möglich gehaltene Dynamik“ ausnutzen, mit der die Industrie Fahrverbote abwenden will.

Das Verwaltungsgericht zeig­te sich wenig überzeugt. Da die Nachrüstung im Belieben jedes Diesel-Eigentümers stehe, sei sie keine staatliche „Maßnahme“, mit der das Land seine Pflicht erfüllen könne. Richter Kern attestierte dem Land ein „Maximum an Optimismus“, was die Umsetzung angeht.

Offensichtlich halten die Richter die kurzfristige Einführung von ganzjährigen Fahrverboten für ältere Diesel für erforderlich. Präzise Vorgaben werden sie aber wohl nicht machen. „Wir müssen nur feststellen, ob der vorliegende Plan ausreicht oder nicht“, sagte Kern.

Christian Rath

Mehr auf taz.de