Kurzkritik: Martin Steinert über Hypertonus „Tidal Wave“
: Stimmige Verbindungen

Instrumentales erleichtert. Wenn eine Band niemanden hat, der am Mikro steht und singt, ist das in den meisten Fällen sehr von Vorteil. Dann nämlich bekommt man immerhin keinen Quatsch erzählt. Und Geschichten erzählen lassen sich auch mit Instrumentalstücken. Nur dass es dann tendenziell die Geschichten der Hörerin oder des Hörers sind, nicht die eines Sängersubjekts, das meint, sein emotionalen Ausnahmezustände seien relevant.

Kommen wir vom Prinzipiellen zum konkreten Fall. Die Bremer Band Hypertonus bastelt seit inzwischen sechs Jahren an einem vergleichsweise kompliziert gedachten Prog-Postrock-Funk-Hy­brid. Kling anstrengend. Ist es mitunter auch. Aber in einem guten Sinne, in einem fordernden Sinn.

Das Debüt „Tidal Wave“ versammelt neun passagenweise vertrackte Instrumentalstücke, in denen es munter auf und ab geht. In den besten Varianten (zum Beispiel „H.E.D.E.R.A.“ und „Expect the Sky Below“) nehmen Hypertonus sich die Zeit, um Melodie und Spannungsbögen zu bauen. Dann wird spürbar, dass hier ein Trio mit einer sehr genauen Vorstellung davon, wie es klingen möchte, unterwegs ist und diese Vorstellung konzentriert umsetzt. Die disziplinierte Rhythmussektion und die losgelassene Gitarre gehen immer wieder stimmige Verbindungen ein. Und das in ein Postrock-lastiges Gesamtbild auch ein Funk-Bass und ein frickeliges Schlagzeug passen, hätte man auch nicht unbedingt gedacht.

Nun kann Begabung auch ein Kreuz sein, und wenn es die drei ausgesprochen fähigen Musiker fortträgt, besteht Dudelgefahr. Dann mäandern die Gitarrenriffs etwas uninspiriert umher. Und es ist auch nicht nur von Vorteil, wenn man viele Effektpedale vor sich liegen hat. Das aber spricht nicht gegen das inspirierte Ganze, wenn man einen guten Tag hat, verbucht man dergleichen einfach unter Spielfreude.

Und die merkt man vom ersten Stück an. Hypertonus haben eine im guten Sinne eigensinnige Mischung vorgelegt, die immer wieder überrascht.

Hypertonus: Tidal Wave (hypertonus.bandcamp.com/)