Viele Hinweise, nichts passiert

GEWALT Hamburgs Senat räumt Fehler im Fall des Messerattentäters ein. Der plante zuerst Tat mit Lkw

Beamte ermitteln nach der Tat am 28. Juli Foto: Markus Scholz/dpa

HAMBURG taz | Wenn Hamburger Sicherheitsbehörden Hinweise auf die Radikalisierung eines mutmaßlichen Islamisten bekommen, können schon mal fünf Monate vergehen, bis sie ihnen nachgehen. Das ist eine Erkenntnis aus der Sondersitzung des Innenausschusses, der am späten Mittwoch zum Hamburger Messerattentat getagt hat. Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeipräsident Ralf Meyer räumten Fehler im Fall Ahmad A. ein: Die Behörden hätten zu langsam und nicht gründlich gearbeitet.

A. hatte am 28. Juli mit einem Messer einen Mann getötet und sieben Passant*innen verletzt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt. Das kann dauern – 100 Zeug*innen sollen laut Polizei noch befragt werden. In Hamburg werden zudem 400 Muslime noch mal überprüft, bei denen es Hinweise auf eine Radikalisierung gab.

Bereits im April 2016 hatte ein Hinweisgeber der Polizei von einer Radikalisierung Ahmad A.s berichtet. Es dauerte aber bis Ende August, bis das LKA den Verfassungsschutz informierte. Dem war Ahmad A. unbekannt, obwohl das Amt sehr wohl Informationen zu dem Palästinenser hatte – allerdings unter anderem Namen. Erst als im September ein zweites Gespräch mit dem Hinweisgeber stattfand, konnten LKA und Verfassungsschutz A. identifizieren. Der Verfassungsschutz stufte ihn aber nur als „Verdachtsfall Islamist“ ein und schrieb ihn zur Grenzfahndung aus, weil A. Interesse an einer Syrienreise bekundet hatte.

Auch von anderen Seiten gab es Hinweise. Die Mitarbeiterin eines Uni-Cafés hatte die Polizei alarmiert, weil A. dort gepredigt hatte. Das Einwohnerzentralamt meldete, A. habe eine Reise nach Gaza angekündigt. Dabei habe er jeweils aufgedreht und unruhig gewirkt. Mitarbeiter*innen der Unterkunft, in der A. als abgelehnter Asylbewerber lebte, hatten über eine Islamismusberatungsstelle die Polizei gebeten, den sozialpsychiatrischen Dienst einzuschalten. A. sei „Alahu Akbar“ rufend durch die Unterkunft gezogen und hatte an Türen gehämmert. Sie baten auch um eine Fallkonferenz, also einen Behördenaustausch. Nichts geschah. Ein Sachbearbeiter stufte A.s Verhalten als „nicht polizeirelevant“ ein – die Unterkunft solle sich kümmern.

Ahmad A. hat inzwischen laut NDR in Haft ein Geständnis abgelegt. Er habe als „Märtyrer“ sterben wollen und zunächst überlegt, einen Lkw einzusetzen. Er bedaure, nicht mehr Menschen getötet zu haben.

Katharina Schipkowski