„Ich arbeite doch nicht,
ich gehe nur baden“

Griechenland Katz-und-Maus-Spiel zwischen Steuerfahndern und Zahlungsunwilligen

Alles ordentlich versteuert? Strand auf Kos Foto: Santi Palacios/dpa

ATHEN dpa | Griechenlandreisende müssen ein neues Wort lernen: „Loukéto“, übersetzt „Vorhängeschloss“. Loukéto bedeutet, dass ein Geschäft für mindestens 48 Stunden von den Fahndern geschlossen wird, wenn der Besitzer nachweislich Steuern hinterzogen oder Schwarzarbeiter beschäftigt hat.

Das griechische Finanzministerium versucht derzeit, mit umfangreichen Kontrollen Steuerschulden einzutreiben. Wie die griechische Finanzpresse berichtet, schulden rund 3,8 Millionen Griechen dem Staat insgesamt 95 Milliarden Euro.

Die Fahnder nehmen sich vor allem die touristischen Regionen vor. Da geht es um illegale Strandbars, deren Registrierkassen falsche Belege ausgeben. Oder um Imbisse und Restaurants, die mit Steuernummern längst geschlossener Läden arbeiten – oder gar komplett ohne elektronische Kasse auskommen.

Von Ostern bis Anfang Juli seien mehr als 200 Betriebe vorübergehend geschlossen worden, heißt es bei der Steuerbehörde. Bei 66 Prozent der Ermittlungen habe man Betrug nachgewiesen.

Der Chef der griechischen Steuerfahnder, Giorgos Pitsilis, zeigt sich angesichts der Zahlen optimistisch. „Wir haben für dieses Jahr einen umfassenden Aktionsplan.“ Dazu gehöre auch, mit der Zeit zu gehen. Mittlerweile mischen sich Fahnder in Badehose unter die Touristen, um unentdeckt zu bleiben.

Denn gerade auf den Inseln gibt es längst Vorwarnsysteme: Steigen die Beamten mitten im Sommer im Anzug und mit Aktentasche unterm Arm von Bord, laufen die Telefone zwischen den Betrieben heiß. Manchmal beziehen die Fahnder gar Prügel, so wie jüngst zwei Beamte auf Patmos, denen ein aufgebrachter Barbesitzer an den Kragen ging.

Die schlecht ausgestatteten Behörden setzen dabei auf die Mithilfe der BürgerInnen. Für viele ist es aber denunziatorisch, ihre Nachbarin oder den Wirt um die Ecke wegen Steuerhinterziehung anzuzeigen. Das Finanzamt versucht daher, den Bürgern die Jagd spielerisch nahezubringen. So soll demnächst eine App auf den Markt kommen, die es Kunden erlaubt, eine Quittung an Ort und Stelle mit dem Smartphone auf ihre Legalität zu überprüfen.

Die Situation ist bitter: Die Abgabenlast beträgt bis zu 70 Prozent

Als unfair empfinden viele Griechen den Betrug dabei durchaus. Nicht zuletzt, weil die Mehrzahl der Betriebe sehr wohl ordnungsgemäß abrechnen. Tankstellen achten darauf, dass der Kunde die Quittung auf jeden Fall mitnimmt, weil sonst beide dran sind. Kioske drucken für jeden Kaugummi ein Zettelchen aus und pochen darauf, dass der Käufer es einsteckt.

Das Katz-und-Maus-Spiel mag zwar lustig anmuten. Etwa, wenn der illegal beschäftigte Kellner vor den Augen verdutzter Touristen ins Wasser springt und so tut, als würde er baden, weil Fahnder die Taverne betreten. Doch für viele Selbstständige ist die Situation bitterernst. Die Abgabenlast liegt nach den unzähligen Erhöhungen der vergangenen Jahre bei bis zu 70 Prozent des Einkommens „Würde ich meine Bücher vollständig legal führen, müsste ich spätestens bei der fälligen Vorauszahlung am Ende der Saison draufzahlen. Gearbeitet hätte ich umsonst“, sagt ein Wirt von der Insel Kefalonia.