Noch immer keine Regierungsmehrheit

Kosovo Sollte es zu Neuwahlen kommen, dürften die Pläne der EU für das Land hinfällig sein

Wunschkandidat der meisten Jungen ist Albin Kurti. Der EU passt er nicht

SPLIT taz | Auch zwei Monate nach den Parlamentswahlen im Kosovo hat es das siegreiche Parteienbündnis ehemaliger Kommandeure der UÇK nicht geschafft, eine Mehrheit von mindestens 61 der 120 Sitze zustande zu bringen, um eine Regierung wählen zu können. Selbst die Stimmen der Abgeordneten der serbischen Minderheit konnten dem designierten Regierungschef Ramush Haradinaj nicht zur Mehrheit verhelfen.

Und seit es in der vergangenen Woche nicht einmal gelang, einen Parlamentspräsidenten zu wählen, gehen viele Beobachter davon aus, dass die ganze Entwicklung auf Neuwahlen hinauslaufen könnte.

Am kommenden Mittwoch wollen sich die wichtigsten Parteien treffen, um doch noch einen Ausweg aus der Krise zu finden. Es wird entscheidend sein, was dabei herauskommt.

Die wichtigste Oppositionspartei, Vetëvendosje (Selbstbestimmung), hat allerdings schon abgewunken. Sie würde von Neuwahlen am ehesten profitieren. Ob Exregierungschef Isa Mustafa als Chef der anderen Oppositionspartei, der Demokratischen Liga (LDK) einen Kompromiss mit Haradinaj eingehen wird, ist wohl auch fraglich, denn die Stimmung im Lande hat sich gegen die bisher herrschenden Kommandeure Haradinaj und Präsident Hashim Thaci gedreht.

Der Wunschkandidat der jungen Generation, die bei den nächsten Wahlen den Ausschlag geben wird, ist Albin Kurti, der Chef von Vetëvendosje. Die internationalen Institutionen allerdings, also die EU-Vertretung, die internationalen KFOR-Truppen und die Rechtsstaatsmission Eulex, sehen den 45-Jährigen, der unerbittlich gegen die Korruption und die „verluderte politische Klasse“ ankämpft, als Gegner und Hemmschuh für die Annäherung des Kosovo an Serbien an. Die wird vor allem von der Europäischen Union unbedingt gewünscht.

Zwar bahnt sich auch bei den internationalen Institutionen langsam ein Meinungsumschwung an – so wird Kurti nicht mehr so häufig wie früher pauschal als Nationalist oder als gar als unberechenbarer marxistischer Linker diffamiert. Doch die bisherige internationale Strategie müsste mit einem Wahlsieg Kurtis als gescheitert gelten.

Denn Kurti wird einer territoriale Aufteilung des Landes entlang ethnischer Linien nicht zustimmen. Kurti hatte schon den sogenannten Ahtisaari-Plan der UNO von 2007 bekämpft, dessen Annahme durch das Kosovo-Parlament Voraussetzung für die Unabhängigkeit des Landes 2008 war. Mit dem Ahtisaari-Plan erhielten die serbischen Gemeinden im Kosovo Selbstverwaltungsrechte.

Die EU möchte das jetzt noch erweitern: Die serbischen Gemeinden, die bei 7 Prozent der Bevölkerung über 20 Prozent des Territoriums repräsentieren, sollen in einem „Gemeindeverbund“ zusammengefasst werden. Dieser Verbund soll dann über eine eigene Repräsentanz verfügen, ein Parlament und einen Präsidenten.

Das wäre in den Augen Kurtis und seiner Anhänger die Durchsetzung des „bosnischen Teilungsmodells“, das zu einer Blockade Bosnien und Herzegowinas geführt hat.

Serbien und die Kosovoserben im Kosovo-Parlament dagegen sind sogar bereit, die sonst als „Kriegsverbrecher“ bezeichneten Kommandeure der ehemaligen Befreiungsorganisation UÇK zu unterstützen, um den Gemeindeverbund doch noch durchzusetzen.

Erich Rathfelder