piwik no script img

Berliner SzenenShuttle nach Tegel

Der Reisepass

Ich frönte meiner neuen Leidenschaft: dem Kreuzstich

Ich hatte es mir gerade auf dem Sofa nach einem Feierabendjoint bequem gemacht und frönte meiner neuen Leidenschaft: dem Kreuzstich. Während ich so stickte, schickte mir meine Nachbarin, die wenige Stunden zuvor zum Flughafen Tegel gefahren war, um nach Thailand zu fliegen, eine WhatsApp-Nachricht: „Im Kühlschrank ist noch offene Milch, abgelaufene Sahne und eine Nektarine. Kannst du das entsorgen bzw. essen?“ Ich schlurfte in ihre Küche und tat, worum sie mich gebeten hatte.

Zufrieden stickte ich weiter – bis abwechselnd das Telefon vom Festanschluss und das Handy klingelten. Als das Klingeln nicht aufhören wollte, schaute ich nach. Es war die Nachbarin! Sie war so aufgeregt, dass ich sie erst nicht verstand. Check-in, falscher Pass, eine knappe Stunde bis zum Abflug. „Ich habe den alten Pass von meinem Sohn eingesteckt!!!“, rief sie und erklärte mir, wo ich ihren Pass finde. „Ich stehe mit einem 100-Euro-Schein für ein Taxi vor Terminal C!“

Ich rannte in ihre Wohnung und holte den Pass, lief zur Warschauer Straße, pfiff nach einem Taxi und setzte den Fahrer ins Bild. „Kein Problem“, sagte er, ohne besonders viel Gas zu geben. Nachricht an die Nachbarin um 20.36 Uhr, ich sei auf dem Weg. „Die machen schon voll Stress hier“, schrieb sie zurück. Ich bat den Fahrer, Gas zu geben. „Wo seid ihr?“, fragte die Nachbarin kurz darauf, und als ich dem Fahrer sagte, die Nachbarin übernehme alle Strafgelder dieser Welt, kam er endlich in Fahrt. 21.03 Uhr erreichten wir Terminal C. Die Nachbarin riss mir den Pass aus der Hand, gab mir einen 100-Euro-Schein und verschwand im Flughafen. 21.16 Uhr kam die erlösende Nachricht: „Geschafft!! 10000000 x danke!“ Wir fuhren zurück. Ich gab dem Taxifahrer ein fettes Trinkgeld. Beim Aussteigen merkte ich, ich hatte Hausschuhe an. Barbara Bollwahn

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen