heute in Bremen
: „Ein Abbild der Gesellschaft“

Foto Die Ausstellung „Rojava – Frühling der Frauen“ zeigt Frauenstrukturen in Nord-Syrien

Anna Schroeder

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35, ist Mitveranstalterin der Ausstellung „Rojava - Frühling der Frauen“ und Mitglied des Solidaritätskomitees.

taz: Frau Schroeder, wie funktioniert demokratische Selbstverwaltung in einer Region, die durch religiöse Konflikte geprägt ist?

Die Selbstverwaltung in Rojava basiert vor allem auf einer jahrelangen Vorbereitung. Im Jahr 2011 im Zuge des Bürgerkrieges in Syrien begann sich die Selbstverwaltung in Kommunen und Räten in der Region immer weiter zu entwickeln. In diesen Räten sind sowohl kurdische, arabische und christliche Frauen vertreten. Die Zusammenarbeit funktioniert also auch über religiöse Grenzen.

In welchem Zusammenhang entstand die Idee zur Fotoausstellung?

Wir als Solidaritätskomitee informieren seit den Angriffen auf Kobane Ende 2014 in Bremen über die Entwicklungen in den kurdischen Gebieten. Die Ereignisse in Rojava haben uns dabei sehr inspiriert. Feministinnen aus Europa können unheimlich viel von dieser Bewegung lernen. Fast keiner weiß hier, dass es eine kurdische Frauenbewegung gibt und wie erfolgreich sie ist. Auch deswegen wollen wir diese weitgehend unbekannten Inhalte und Perspektiven verbreiten.

Gab es konkrete Vorbilder für die Selbstverwaltung in Rojava?

Natürlich spielt in diesem Zusammenhang die kurdische Bewegung eine wichtige Rolle, die sich seit 2005 sehr gewandelt hat und seitdem anstatt eines kurdischen Nationalstaates das Modell des Demokratischen Konförderalismus vertritt. Viele Ideen kommen auch aus Bewegungen der kommunalen Selbstverwaltung, die bereits in anderen Ländern praktiziert wurden.

Welche Altersgruppen sind in der Frauenbewegung vertreten?

Das Faszinierende ist wirklich die komplette Durchmischung der Generationen. Es beteiligen sich sowohl sehr viele ältere als auch junge Aktivistinnen. Eigentlich ist die Zusammensetzung in der Frauenbewegung ein komplettes Abbild der Gesellschaft.

Welche Gefahren und Risiken bestehen für die aktiven Frauen in der Region?

Ich würde unterscheiden zwischen inneren und äußeren Gefahren. Hierbei ist sicherlich nach wie vor der Widerstand von Männern zu nennen. In dieser Hinsicht hat sich aber schon sehr viel verbessert. Gewalt und Zwangsverheiratungen sind leider immer noch ein Thema, aber ihnen wird inzwischen organisiert begegnet. Trotz der großen Fortschritte ist es aber natürlich noch keine perfekte Gesellschaft. Als äußere Gefahren sehe ich vor allem die Politik der Türkei, die islamistischen Gruppierungen in der Region und auch die Rolle der Bundesregierung, die seit Jahren die kurdische Bewegung kriminalisiert.

Mit welchen fünf Schlagworten würden Sie die Frauenbewegung in Rojava beschreiben?

Selbstorganisation, Selbstverteidigung, Geschichtsbewusstsein, Bildung und Freiheit.

Interview: Philipp Nicolay

Eröffnung: 18 Uhr in der Krimibibliothek der Stadtbibliothek