Sehen und gesehen werden

Burka In Niedersachsen wird diskutiert, das Schulgesetz so zu ändern, dass es eine Vollverschleierung von Schülerinnen verbietet. Die rechtliche Lage ist schwierig

Vollverschleierte Frauen auf einer salafistischen Kundgebung Foto: Boris Roessler/dpa

Von Simone Schmollack

BERLIN taz | Dürfen Mädchen vollverschleiert in die Schule kommen? Die Ansichten dazu sind geteilt. Das waren sie bis vor Kurzem auch in Niedersachsen. So war einer 18-jährigen Schülerin aus Osnabrück im Herbst vergangenen Jahres verboten worden, mit einem Gesichtsschleier ins Abendgymnasium zu gehen. Eine 16-Jährige in Belm hingegen durfte ihren Nikab in der Schule tragen.

Jetzt strebt die rot-grüne Landesregierung eine einheitliche Regelung an: Sie will die Vollverschleierung in Schulen verbieten. Dazu soll das niedersächsische Schulgesetz geändert werden. Der Paragraf 58, der Rechte und Pflichten von SchülerInnen festlegt, soll unter anderem durch folgende Passage ergänzt werden: „Sie (die SchülerInnen;d. A.) dürfen durch ihr Verhalten oder ihre Kleidung die Kommunikation mit den Beteiligten des Schullebens nicht in besonderer Weise erschweren.“ Zu diesem Passus findet am heutigen Donnerstag, dem ersten Schultag in Niedersachsen nach den Sommerferien, im Kultusausschuss des Landtags eine mündliche Anhörung statt.

Obwohl weder Nikab- noch Burkaverbot im Gesetzentwurf explizit genannt werden, darf davon ausgegangen werden, dass sich die Gesetzesänderung genau darauf bezieht. Nikab und Burka hindere die Trägerinnen und ihre KlassenkameradInnen daran, unkompliziert miteinander zu kommunizieren, argumentieren die GegnerInnen der Vollverschleierung. Die Mimik sei durch den Gesichtsschleier nicht erkennbar, auch die Sprache könne unverständlicher sein, weil der Mund ebenfalls bedeckt ist.

Ein einheitliches Gesetz zur Vollverschleierung von Schülerinnen gibt es in Deutschland nicht, Bildung ist Ländersache. Laut Kultusministerkonferenz wäre Niedersachsen das erste Bundesland, das sein Schulgesetz dahingehend ändert, dass es als Verbot der Vollverschleierung ausgelegt werden kann.

Erst am Dienstag trat in Bayern das „Gesetz über Verbote der Gesichtsverhüllung“ in Kraft. Seitdem dürfen sich Angestellte im öffentlichen Dienst, an Schulen, Hochschulen und in Kitas nicht verschleiern. Von Schülerinnen und Studierenden ist in dem Gesetz nicht die Rede.

Der Nikab habe an Schulen „nichts zu suchen“, findet die Kultusministerin

Die geplante Gesetzesänderung in Niedersachsen hat einen längeren Vorlauf. Die Belmer Schülerin war bereits drei Jahre lang vollverschleiert zur Schule gekommen. Wiederholt hatte die Schulleitung sie aufgefordert, den Nikab abzulegen. Das wollte das Mädchen aber nicht. Die Schulleitung ließ die Schülerin daraufhin gewähren, weil sie den Schulfrieden nicht gestört hatte und in diesem Sommer in Ruhe ihren Realschulabschluss machen sollte.

Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) findet, dass der „Nikab in Niedersachsens Schulen nichts zu suchen“ habe. Ihn aber einfach im Unterricht zu verbieten, ist laut niedersächsischem Schulgesetz nicht möglich.

Um für Klarheit zu sorgen, beauftragte die Staatskanzlei den Rechtswissenschaftler Hinnerk Wißmann von der Universität Münster mit einem Gutachten. Der Experte kam zu der Auffassung, dass die Vollverschleierung im Unterricht nicht ohne Weiteres verboten werden könne. Schließlich sei Religionsfreiheit ein Grundrecht. Wenn der Nikab in der Schule nicht getragen werden darf, müsse das Schulgesetz geändert werden. Das könnte nun geschehen.