Basti first

AMERICAN PIE Jetzt, da er sogar als Kapitän der Allstar-Auswahl auflaufen darf, ist Exnationalspieler Schweinsteiger endgültig angekommen in der Major League Soccer

Unter seiner Anleitung stürmte Chicago zwischenzeitlich an die Tabellenspitze

Ist er jetzt „Basti“? Oder doch „Schweini“? So ganz können sich Fans und Medien in den USA noch nicht entscheiden, welcher Spitzname denn nun der angemessene ist. Die Tendenz geht eher zum Basti, vermutlich weil er englisch leichter auszusprechen ist als die reibelautlastige Alternative. Eins aber ist jedenfalls sicher: Die Amerikaner haben Bastian Schweinsteiger in ihr Herz geschlossen.

Neuestes Indiz: Für das All-Star-Game der Major League Soccer (MLS) wurde der Profi von Chicago Fire, der am Dienstag seinen 33. Geburtstag feierte, von den Fans in die Startformation gewählt. Und nicht nur das: In einer weiteren Online-Umfrage wurde der Bayer dann auch noch zum Kapitän der MLS-Auswahl gekürt, die in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in Schweinsteigers Heimstadion in Chicago gegen Real Madrid antritt. „Eine große Ehre“, befand der ehemalige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft und schwenkte dann sofort in den von Spielführern gern praktizierten Das-nächste-Spiel-ist-immer-das-schwerste-Modus: Mit Real habe man es mit einem „very, very good team“ zu tun.

Da wollte naturgemäß niemand widersprechen, auch wenn der Champions-League-Champion ohne seinen Superstar Cristiano Ronaldo in Chicago landete. Der Portugiese musste in Spanien vor Gericht erscheinen, um sich zu den Vorwürfen der Steuerhinterziehung gegen ihn zu äußern. Aber auch so ist eine angemessene Weltstar-Auswahl eingeflogen, um das alljährliche Show-Event der US-Liga mit Glanz zu erfüllen. Toni Kroos, Sergio Ramos, Gareth Bale und Marcelo sind allerdings schon länger auf Tournee durch die USA: Im Rahmen eines international besetzten Vorbereitungsturniers durften sie schon gegen Manchester United, Manchester City und den FC Barcelona ihre Form überprüfen.

Das Spiel gegen die All-Stars der MLS ist folgerichtig das Dessert des Werbetrips, der sportliche Wert umstritten. Auch Schweinsteiger baut vor: Er könne sich vorstellen, sagte er in einem Interview im Vorfeld des Spiels, dass die MLS in zehn Jahren nahezu das Niveau der Bundesliga erreiche. Das war natürlich eine höfliche Art zu sagen, dass die US-Liga noch mindestens eine Dekade davon entfernt ist, sportlich auf Augenhöhe mit Europa zu sein. Diese Aussage löste diesmal allerdings keine Entrüstung aus wie noch im Mai, als Schweinsteiger kurz nach seiner Ankunft die taktischen Qualitäten seiner Sportkameraden in der MLS in Zweifel gezogen hatte.

Das abgeflachte Erregungsniveau mag sich dadurch erklären, dass Schweinsteiger nicht nur mit hingebungsvollem Füttern seines Instagram-Accounts vorbildlich seine Aufgabe erfüllt, das Aushängeschild des Chicago Fire Soccer Club zu sein, sondern mittlerweile auch von Experten als Hauptverantwortlicher für den erstaunlichen Aufschwung seines neuen Klubs ausgemacht wird. Chicago, in den vergangenen beiden Spielzeiten noch das schlechteste Team der MLS, stürmte unter Schweinsteigers Anleitung zwischenzeitlich an die Tabellenspitze. Trotz einer kleinen Durststrecke zuletzt ist man immer noch Punktzweiter und auf dem besten Wege, die Playoffs zu erreichen – etwas, was Fire seit vier Jahren nicht mehr gelungen ist.

„Er hat nicht nur sein fußballerisches Können mitgebracht“, lobt Veljko Paunovic, der serbische Trainer, „sondern vor allem hat er dem Klub Charakter und Identität gegeben.“ Tatsächlich: Die ebenfalls erst vor dieser Saison verpflichteten Torjäger Nemanja Nikolic und Mittelfeldmotor Dax McCarty sind auf dem Platz zwar oft auffälliger als Schweinsteiger, aber die Fäden laufen eindeutig bei Basti zusammen. Oder war es doch Schweini? Thomas Winkler