Der falsche Gewinner

ISRAEL Netanjahu hat Romney offen unterstützt. Folgt jetzt eine Retourkutsche Barack Obamas?

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dürfte der Wahlsieg Barack Obamas einige Probleme bereiten. Zwar beeilte er sich mit Gratulationen und betonte, dass „das strategische Bündnis zwischen Israel und den USA stärker als je zuvor“ sei. Doch das Verhältnis der beiden Regierungsoberhäupter ist getrübt.

Netanjahus in den vergangenen Wochen zur Schau gestellte Sympathie für Mitt Romney könnte den wiedergewählten Präsidenten dazu verleiten, dem Likud-Chef die Rechnung zu präsentieren, indem er sich umgekehrt in die israelischen Wahlen einzumischen versucht. Genau einen Tag nach der Vereidigung Obamas für weitere vier Jahre als Präsident werden die Israelis am 22. Januar eine neue Regierung wählen. Netanjahu signalisierte, dass er bereit ist, den Konflikt mit Obama einzugehen. Kürzlich veröffentlichte seine Regierung Pläne für den Bau von 1.200 Wohnungen im besetzten Westjordanland. Doch wie viel Wahlkampfhilfe von Obama einem israelischen Kandidaten nützt, ist fraglich: Die Mehrheit der Israelis bevorzugt seinen Gegner. Umfragen zufolge genoss Romney die Sympathien von 50 Prozent der israelischen Bevölkerung, während Obama sich mit 26 Prozent begnügen musste.

Im Gazastreifen äußerte derweil Hamas-Sprecher Sami Abu-Suhri die Hoffnung, Obama werde seine Nahostpolitik überdenken und „von seiner einseitigen Unterstützung Israels ablassen“.

Einig sind sich die israelischen Experten, dass im kommenden Frühjahr die Entscheidung über einen eventuellen Angriff auf die iranischen Atomanlagen fallen muss. Danni Jatom, ehemals Chef des Mossad, erklärte im staatlichen Fernsehen, dass es „für Obama leichter ist anzugreifen, denn er steckt drin“. Romney wäre hingegen nicht in der Lage gewesen, „binnen so kurzer Zeit im Amt eine solche Entscheidung zu treffen“.

Nach Ansicht des Exgeheimdienstlers wird „Obama der Zweite“ auch in der Palästinenserfrage mehr Druck auf Israel ausüben, um die Konfliktparteien „zu einer Reihe von Interimsvereinbarungen“ zu bewegen. Jatom warnte davor, die USA mit dem Ausbau der Siedlungen zu erzürnen: „Wir brauchen Onkel Sam wegen Iran.“