Wien diskutiert die „Homoehe light“

Österreichs konservative Regierungskoalition debattiert über einen Gesetzentwurf mit offenen Hintertürchen

WIEN taz ■ Eine breite Diskussion habe sie sich gewünscht, erklärte treuherzig Justizministerin Karin Gastinger, BZÖ, nachdem sie letzte Woche auf der Regierungsklausur in Innsbruck eine Reform des Familien- und Kindschaftsrechts angekündigt hatte – zur Überraschung von Koalitionspartner ÖVP und offenbar auch einiger Parteikollegen. Familie finde längst zu einem großen Teil außerhalb der klassischen Ehe statt, verteidigte die Ministerin ihr Projekt. Durch die Hintertür einer Regelung für Lebensabschnittspartner sollte auch die Diskriminierung homosexueller Paare fallen. „Homoehe light“ tauften die Medien das Vorhaben. Die ÖVP-Führung schwieg.

Der Reformeifer der ÖVP beschränkt sich auf Wirtschafts- und Sozialpolitik. Im gesellschaftspolitischen Bereich wird die Tradition hochgehalten. Und auf wenige Themen reagiert Bundeskanzler Wolfgang Schüssel so unwirsch wie auf die Anerkennung homosexueller Partnerschaften. Deswegen schickte er sein Sprachrohr, Bundesgeschäftsführer Reinhold Lopatka, vor, der Gastingers Vorstoß als „Einzelmeinung“ abqualifizierte. Aber auch Gastingers Fraktionschef Herbert Scheibner ließ verlauten, er halte eine Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Familie oder heterosexuellen Gemeinschaften für „nicht notwendig“. Schließlich genössen Ehepaare Privilegien, „weil sie dem Staat etwa durch das Aufziehen von Kindern Vorteile bringen“. Dass man auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption und Aufzucht von Kindern gewähren könne, hält in den Regierungsparteien niemand für wünschenswert.

EU-weit liegt Österreich in der Gruppe, die Homosexuellen am wenigsten Gleichheit garantiert. Wenn sich für Schwule und Lesben in Österreich etwas verbessert hat, dann dank der Antidiskriminierungs-Richtlinien aus Brüssel. Einen Strafrechtsparagrafen, der gleichgeschlechtlichen Sex zwischen Männern kriminalisierte, wenn einer der beiden unter 18 war, brachte der Verfassungsgerichtshof 2002 zu Fall. Nach wie vor scheint eine Verurteilung nach dem abgeschafften Gesetz im Strafregister von über 1.400 Männern auf. Für deren Begnadigung setzte sich zuletzt Bundespräsident Heinz Fischer ein. Er kann von seinem Gnadenrecht nur in den Fällen Gebrauch machen, die ihm das Justizministerium vorlegt.

Die ÖVP beschloss vor einem Jahr in ihrem Bundesvorstand, „Diskriminierungen von Lebensgemeinschaften“ zu beseitigen. Doch ein von ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter vorgelegter Gesetzesvorschlag, der das auch umsetzen soll, erschien der Justizministerin als zu brav. So dürften Homosexuelle weiterhin nicht – wie heterosexuelle Eheleute – die Aussage verweigern und hätten im Krankheitsfall des Partners keinen Anspruch auf Pflegeurlaub.

Christian Högl, der Chef der Wiener Homosexuellen-Initiative HOSI, findet wiederum Gastingers Vorschläge „zu nebulos“. Er plädiert für das Modell der „eingetragenen Partnerschaft“, wie es etwa die SPÖ vertritt.

Auch die offen lesbische grüne Abgeordnete Ulrike Lunacek wünscht sich eine umfassendere Regelung. Das grüne Modell des Zivilpakts sieht die rechtliche Gleichstellung hetero- und homosexueller Lebensgemeinschaften inklusive Adoptionsrecht vor. RALF LEONHARD