Siemens streicht tausende Stellen

Mit Arbeitsplatzabbau und Verkäufen will sich der Konzern seiner letzten Verlustbringer entledigen. Dabei ist die schlechte Geschäftslage eine Folge der Personalkürzung in den vergangen Jahren, kritisiert die IG Metall und pocht auf den Tarifvertrag

VON STEPHAN KOSCH

Der Siemens-Konzern wird in Deutschland mehrere tausend Stellen streichen. Allein 2.400 Arbeitsplätze sollen bei der Tochter SBS wegfallen, die Dienstleistungen rund um die Informationstechnologie anbietet, teilte der Konzern gestern mit.

Doch dabei wird es nicht bleiben. Auch der Geschäftsbereich, der Telekommunikationsanlagen für Unternehmen herstellt, wird Arbeitsplätze verlieren. Zahlen nannte Siemens nicht, darüber solle mit der Gewerkschaft verhandelt werden. Die IG Metall schätzt, dass es aber mindestens um die gleiche Größenordnung gehen wird wie bei SBS. Deren erst seit einem Jahr amtierender Chef Adrian von Hammerstein legte gestern sein Amt nieder.

Als dritte Maßnahme kündigte Siemens an, dass das Segment „L & A“, das unter anderem Transporttechnik für Flughäfen oder Kurierunternehmen anbietet, aufgelöst wird. Die profitablen Teile werden anderen Konzernbereichen zugeordnet, die übrigen sollen als eigenständige GmbH weiterlaufen. 5.000 Mitarbeiter sind betroffen. Das Geschäft wäre durch die Ausgliederung leichter zu verkaufen. Zudem werden die hier anfallenden Verluste so nicht mehr als eigenständiges Geschäftsfeld, sondern weniger transparent unter dem Sammelpunkt in der Bilanz des Konzerns aufgelistet.

Siemens-Chef Klaus Kleinfeld begründete die Schritte mit den anhaltenden Verlusten der Sparten. Die drei Problembereiche hatten allein im dritten Quartal des Geschäftsjahres auch ohne die veräußerte defizitäre Handy-Sparte mehr als 200 Millionen Euro Verlust verbucht.

Unter der Führung von Kleinfelds Vorgänger, Heinrich von Pierer, hatte das Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits zehntausende von Stellen gestrichen und so die meisten Geschäftsfelder auf Profit getrimmt. Nun geht Kleinfeld die verbliebenen Baustellen an. Allein bei SBS sollen bis 2007 insgesamt 1,5 Milliarden Euro eingespart werden, die Hälfte davon über Personaleinsparungen.

Wiegand Cramer von Siemens-Team der IG Metall warf im Gespräch mit der taz dem Management „kurzfristige Bedienung des Shareholder-Values“ vor. So lägen die Probleme der betroffenen Telekomsparte in dem massiven Stellenabbau bei Forschung und Entwicklung in den vergangenen Jahren. Dies habe zu einem technologischen Rückstand auf die Konkurrenten von etwa zwei Jahren geführt. Wie bei der Handy-Sparte verzichte Siemens aber nun auf Investitionen in Forschung und spare ganze Bereiche zu Tode, um die Erwartungen von Analysten zu bedienen. Dabei koste die Restrukturierung ebenfalls Geld. Cramer rechnet mit Kosten in Milliardenhöhe.

Die Gewerkschaft will sich in den nun laufenden Gesprächen dafür einsetzen, dass die betroffenen Mitarbeiter umgeschult und in anderen Bereichen des Konzerns eingesetzt werden. Dies sei schließlich im Tarifvertrag vom Anfang des Jahres vereinbart worden. „Wir wollen mal sehen, was dem Management so ein Vertrag wert ist.“

Verärgert zeigte sich Cramer auch darüber, dass Siemens erst nach der Bundestagswahl die Pläne zum Stellenabbau der Öffentlichkeit präsentierte. Im Vorfeld der Wahl hatte sich Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) als Berater angedient. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Bundestags, Rainer Wend (SPD), griff von Pierer gestern direkt an. „Der Aufsichtsratsvorsitzende von Siemens hätte sich besser intensiv um sein Unternehmen kümmern sollen, als sich in der Politik zu betätigen“, sagte er dem Tagesspiegel.

meinung und diskussion SEITE 17