„Kämpferisches Patt“

Im Ausland löst das deutsche Wahlergebnis Ratlosigkeit und Verwunderung aus. Merkel-Freunde sind enttäuscht

In Polen hatten Politiker wie Publizisten auf einen Machtwechsel in Deutschland gehofft. Nun sind Enttäuschung und Ratlosigkeit groß. „Deutschland ohne eine starke Regierung – das ist eine schlechte Nachricht für Europa“, kommentiert die liberale Gazeta Wyborcza. „Für Polen bedeutet das Unsicherheit in wichtigen Fragen – dem EU-Budget, der Politik gegenüber Russland und dem Zentrum gegen Vertreibungen.“ Die eigentliche Gewinnerin der Wahlen sei paradoxerweise die FDP, die radikale Wirtschaftsreformen befürworte, und die populistische Linkspartei, die genau das Gegenteil wolle. Polens Ministerpräsident Marek Belka kommentierte den Wahlausgang diplomatisch höflich: „Wer immer Kanzler ist, Polen und Deutschland bleiben Nachbarn und strategische Partner. Ich glaube nicht, dass etwas unsere Beziehungen ändern könnte.“

Das offizielle Moskau hielt sich gestern zurück. Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses der Duma, Konstantin Kosatschew, nannte das Ergebnis ein „kämpferisches Patt“. Die künftige Regierung werde gleichermaßen von linken wie rechten Kräften abhängen. Wassili Lichatschow, früherer Vertreter Russlands bei der EU, betonte, dass das Wahlergebnis für die deutsch-russischen Beziehungen keine größere Bedeutung hätte. „Das Thema Russland wird in der deutschen Außenpolitik weiter Priorität behalten.“ Ein Hörer des Radiosenders Echo Moskau meinte, Schröder sei bei seinem Freund Wladimir Putin erfolgreich in die Lehre gegangen. Wie Putin wolle auch der Kanzler nicht das Feld räumen.

Vornehm zurück hielten sich auch Großbritanniens Politiker. Die Presse wurde deutlicher. Das sei das „schlimmstmögliche Ergebnis“, stöhnte die Times. Der Daily Telegraph machte mit der Schlagzeile auf: „Was für ein Durcheinander!“ Auch der Guardian hält das Ergebnis für eine Katastrophe. „Die Deutschen mögen Reformen wollen, aber jetzt droht eine Lähmung, weil ihnen in letzter Sekunde die Nerven versagt haben.“ Der Guardian hatte eine Kanzlerin Angela Merkel als Segen für Europa gefeiert. Gestern Ernüchterung: „Trotz aller Vergleiche mit Thatcher fehlt Merkel sowohl das Charisma der Eisernen Lady als auch das radikale politische Programm, um Deutschland aus der Klemme zu helfen.“

Zwei Verlierer für einen Sessel“, titelte gestern die Pariser Zeitung Liberation. „Unregierbar?“, fragte besorgt das Boulevardblatt Parisien. „Bitterer Sieg für Angela Merkel“ ist in dem rechten Blatt Figaro zu lesen.

Die Politiker in Paris hingegen bewerten das Wahlergebnis alle als Bestätigung für ihre eigene Linie. Die radikale Linke jubelt über den Erfolg der neuen Linkspartei: „Ein Signal für die Bewegung gegen den Neoliberalismus in Europa.“ Der Chef der großen rechten Sammlungsbewegung UMP, Nicolas Sarkozy schickte der CDU-Chefin ein Glückwunschtelegramm. Darin wertet er ihren „Erfolg“ als Ermunterung „für unsere gemeinsamen Ideen“. Auch bei der sozialistischen Opposition ist die Wahlanalyse interessengeleitet. Jack Lang, Kandidat für die Präsidentschaft, betrachtet Schröder als Wahlsieger. Der sozialistische Fraktionssprecher Jean-Marc Ayrault findet, dass die Deutschen keine Sozialpolitik „nach angelsächsischem Modell wollen“.

Kaum eine chinesische Zeitung ohne die deutsche Wahl auf der Titelseite. Überhaupt berichten die Medien diesmal sehr intensiv, wie Yang Cheng, Chinas Ex-Botschafter in Österreich bemerkt. „Schröder ist besser“, sagt der 24-jährige Soziologiedoktorant Tian Geng zum Wahlausgang. Er fürchtet um Europas Fähigkeit, eine „Gegenmacht zu den USA“ zu bilden. Schröder sieht er als „treibende Kraft in Europa“, Merkel erscheint ihm konservativ, „auch wenn sie nicht gleich deutsche Truppen in den Irak schicken würde.“

khd, gl, dora, gbl, raso