Polizeitaktik
: Keine Deeskalation

Dudde und die „Hamburger Linie“

„Es gibt eine unheilige Allianz zwischen Polizei-Hardlinern und Randalieren“

Juraprofessor Hans Alberts

Null Toleranz gegenüber kleinsten Regelverletzungen von Demonstranten und Protestierern, bei jedem Rechtsbruch sofort einschreiten – so lautet der Kern der sogenannten „Hamburger Linie“ der Polizei der Stadt. Verkörpert wird diese Linie, die keine Deeskalation kennt, vor allem von dem leitenden Polizeidirektor Hartmut Dudde (54). „Wir warten nicht ab, wenn Straftaten begangen werden“, sagte er 2015 der Welt am Sonntag.

Aufgrund seiner Erfahrung mit Polizeieinsätzen bei Demonstrationen wurde Dudde als Gesamteinsatzführer der Polizei für den G20-Gipfel ausgewählt. Zusammen mit Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeipräsident Ralf Meyer verantwortet er die Strategie, mit der die Beamten während des Gipfels im Einsatz waren.

In Hamburg-Entenwerder hatte die Polizei bereits einige Tage vor dem Gipfel unter massivem Einsatz von Pfefferspray ein Camp der G20-Gegner geräumt, die Schlafzelte aufgestellt hatten. Dabei hatte das Verwaltungsgericht das Übernachten im Camp gerade Stunden zuvor erlaubt.

Am Donnerstag danach ließ Dudde die Demonstration „Welcome to Hell“ stoppen, weil einige der Teilnehmer sich geweigert hätten, ihre Vermummung abzunehmen. Die Polizei knüppelte in den schwarzen Block und trieb ihn auseinander, ein Wasserwerfereinsatz folgte. Flaschenwürfe und das Abfeuern von Pyrotechnik aus dem Demonstrationszug waren die Antwort. Die Kritiker der G20-Demo machen diese beiden Einsätze für die Eskalation zwischen Polizei und G20-Gegnern mitverantwortlich, die sich in den darauf folgenden Tagen und Nächten entwickelte.

Duddes früherer Ausbilder, der Juraprofessor Hans Alberts, hat nach dem Gipfel die Uneinsichtigkeit seines ehemaligen Schülers beklagt. „Eine harte Linie führt zu Eskalation“, das habe er Dudde schon in der Ausbildung erklärt, sagte Alberts dem NDR. Wer Polizisten martialisch ausrüstet – mit Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcken – spiele den Krawallmachern in die Hände. Es gebe da „eine unheilige Allianz zwischen Polizei-Hardlinern und Randalieren“, so Alberts. Außerdem sei in dem Moment, als die Demo auseinandergesprengt wurde, die Lage nicht mehr beherrschbar gewesen. Alberts: „Marodierende Kleingruppen können Sie nicht kontrollieren.“

Duddes Karriere begann, als der Rechtspopulist Ronald Schill Innensenator war und Dudde zum Leiter der Bereitschaftspolizei berufen wurde. Häufig wurden Einsätze unter Duddes Leitung im Nachhinein von Gerichten kritisiert, mehrfach sogar als rechtswidrig eingestuft. Allerdings stieg er auch unter CDU und SPD immer weiter auf – als Garant von Recht und Ordnung. Marco Carini