Nord und Totschlag

KRIMINALISTIK Vier authentische Morde im Norden: Daraus macht der Norddeutsche Rundfunk unaufgeregtes Reality-TV und nennt die kleine Reihe, zwingend geradezu, „Morddeutschland“

Auf der Suche nach verräterischen Sandkörnern: „Spurenleserin“ Monika Freckmann vom LKA Hannover Foto: Micha Bojanowski/Cinecentrum/NDR

Klar: Schnöde erfundener Fernsehkrimi, das ist voll von gestern. Mit dem, Pardon, nicht ermordet zu kriegenden „Aktenzeichen XY“ möchten die Senderverantwortlichen die Sache aber sicher auch nicht zusammengerührt wissen: Der NDR hat heute erstmals ein neues True-Crime-Format im Programm, und es heißt so, wie es auch viele Buchverlage als Reihentitel für Regionalkrimis sicher auch originell finden: „Morddeutschland“.

Die Reihe von Autor und Regisseur Björn Platz erinnert an vier reale, aber auch längst aufgeklärte Fälle aus dem Sendegebiet; genau genommen sogar darüber hinaus. Zwei Schauplätze – um nicht zu sagen: Tatorte – liegen in Niedersachsen, einer in Hamburg, einer aber auch in Bremen. Ob das was mit der Förderung durch die Nordmedia zu tun hat, der gemeinsamen Einrichtung Niedersachsens und Bremens?

Viermal Mord also. Mord soll aber gar nicht im Mittelpunkt stehen – auch wenn etwa der Fall in Folge 2, „Die Spurenleserin“, durchaus spektakuläre Zutaten böte. Ja, da wäre beinahe eine Art Hannibal-Lecter-Geschichte im Kreis Osnabrück drin gewesen. Aber nein, es soll um die zähe Arbeit der Ermittler gehen, um die Mühen der kriminalistischen Ebene sozusagen.

Das Konzept von „Morddeutschland“ will das TV-Rad nicht neu erfinden, und um das vollmundige Versprechen, das Publikum solle „Teil des Ermittler-Teams“ werden, ist die Zeit schlicht zu knapp: Jeweils eine halbe Stunde lang sind die vier Folgen, da geht es manchmal allzu schnell – dafür, dass man doch eigentlich das Zermürbende am Mordermittler-Dasein zeigen möchte.

Drüber reden statt zeigen

Da bleibt so manches Behauptung, wird nur gesagt, statt auch gezeigt – gelegentlich ist das dann sogar beinahe komisch, wenn auch unfreiwillig. Nehmen wir die heute Abend laufende Folge 1, über einen Taxifahrer, ermordet im Januar 2010 im – wiederholt und reichlich boulevardesk als nobel bezeichneten – Hamburger Elb-Stadtteil Nienstedten. Da wird ausgeführt, wie hilfreich ein damals ganz frisch angeschaffter 3-D-Laser für die Polizei gewesen sei, lasse sich mit so einem Gerät doch der Fundort des Ermordeten dreidimensional abbilden und so später aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und derlei.

Klingt gut, klingt nach guten Bildern, wir sind ja schließlich im Fernsehen. Tatsächlich zeigen ließen sich die beschriebenen Talente der Wundermaschine aber offenbar doch nicht, stattdessen berichtet eine Stimme aus dem Off davon.

Sei’s drum. Nach dem Hamburger „Taximord“ zum Auftakt geht es im Weiteren dann um verscharrte Eheleute, eine auf dem Rückweg von der Disco erwürgte Bremer Verkäuferin („Tanz in den Tod“) sowie jene bedauernswerte Pastorengattin, deren Mörder am Ende eine echte Kleinigkeit zu überführen half: eine zertretene Ameise unterm Gummistiefel. ALDI

„Morddeutschland“: heute bis 4. 8, jeweils freitags, 21.15 Uhr, NDR Fernsehen