Nach den G20-Krawallen

Eines haben die G20-Gegner erreicht: weltweite Aufmerksamkeit. Doch im Fokus steht die Gewalt. Wie geht die linke Szene damit um?

„Politischer Erfolg“

STATEMENT Die Rote Flora äußert sich erstmals seit G20 – und sieht sich als Sündenbock

HAMBURG taz | Noch ehe Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz den Geschehnissen um den G20-Gipfel eine seiner seltenen Regierungserklärungen widmete, traten am Mittwoch jene an die Öffentlichkeit, in denen derzeit viele Beobachter die an all der Gewalt und Zerstörung Schuldigen erkennen wollen: Die besetzte Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel legte ein Statement zu Gipfel, Politik und Polizei vor, erklärtermaßen das bis auf Weiteres einzige. Der Senat versuche für das eigene Versagen „einen Sündenbock zu finden – die Rote Flora“.

Das Versagen von Politik und Polizei besteht aus Sicht der Verfasser in einer falschen Prioritätensetzung: „Schutz der Staatsgäste gegenüber Schutz der Anwohner_innen“. Und schon die Zeit vor dem Gipfel sei gekennzeichnet gewesen „von medialen und politischen Gewaltdiskursen“ mit dem Ziel, „die Protestbewegung schon im Vorfeld zu diskreditieren“, schreibt das autonome Zentrum. So seien „alle auswärtigen Aktivist_innen pauschal als Gewalttäter_innen denunziert“ worden, den Protestcamps „als Ort des politischen Zusammenkommens“ sei mit Verboten gedroht worden.

Diese Rechnung ist aus Sicht der Floristen nicht aufgegangen: „Trotz all dieser Bemühungen konnte der Gipfel nicht ungehindert stattfinden“, schreiben sie, immer wieder sei es zu „Störungen“ gekommen. Das Ergebnis demnach: „Nicht die Bilder der Kamingespräche der Politiker_innen prägten das mediale Bild, sondern die des Widerstands gegen das Spektakel der Herrschenden. Dies werten wir als politischen Erfolg!“

Für die Zeit seither attestiert das Papier den Medien „systematische Hetze gegen die linksradikale Bewegung im Allgemeinen und gegen das Projekt Rote Flora“. Aber auch „Politiker*innen verschiedenster Parteien in Hamburg und auf Bundesebene überschlagen sich in der Beschwörung einer angeblichen neuen Gefahr von links. Die Autonome Bewegung wird mit Terrorismus, islamistischen Selbstmordkommandos und gewalttätigen Nazistrukturen geradezu inflationär gleichgesetzt.“

Der Forderung, das Zentrum müsse geräumt und geschlossen werden, begegnet die Flora betont gelassen: „In den letzten Jahren haben wir bewusst mehrfach die Existenz des Hauses zugunsten politischer Positionen und Aktionen in die Waagschale geworfen. Es ist nur ein Haus, ein Symbol, mit dessen Räumung der Wutbürger besänftigt werden soll.“ Was Bürgermeister Scholz am Nachmittag regierungserklären würde, konnten die Verfasser beim Schreiben noch nicht wissen. Mit Blick auf seinen Auftritt erklären sie, „auf alles gefasst“ zu sein. Selbst wenn am Ende die Räumung stehen sollte, heißt es weiter, „werden autonome Politik und linksradikale Bewegungen nicht aus dem Stadtbild verschwinden – ganz im Gegenteil!“. ALDI