Die nächste Monsterblase

FINANZKRISE Die Krisenbekämpfung hat schwere Nebenwirkungen: Das viele in die Märkte gepumpte billige Geld landet nicht in der Realwirtschaft, sondern treibt die Spekulation an

„Jeder Anleger, der mitspielt, wirkt wie ein Genie“

US-ÖKONOM NOURIEL ROUBINI

VON NICOLA LIEBERT

Der Goldpreis hat zum Wochenauftakt hin ein Allzeithoch von 1.108 US-Dollar pro Feinunze erreicht, aber auch der Kupferpreis ist innerhalb eines Jahres um 50 Prozent in die Höhe geschossen. In Hongkong steigen die Preise für Luxuswohnungen in einer Geschwindigkeit, dass die dortige Regierung sich schon zur Ankündigung von Gegenmaßnahmen genötigt sah. Und an der New Yorker Börse ist vergangenen Monat der Dow-Jones-Aktienindex erstmals seit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 wieder über die Marke von 10.000 Punkten geklettert. Obwohl die Realwirtschaft noch keineswegs auf festem Boden steht, scheint für Investoren und Spekulanten die Krise schon Geschichte zu sein.

Viele Experten können darin allerdings kein positives Signal erkennen. So warnte der Internationale Währungsfonds (IWF), der Immobilienboom in Hongkong werde durch eine Kapitalflut verursacht, „die von jeglichen Gesetzen von Angebot und Nachfrage losgelöst“ sei. Die Weltbank äußerte „Sorgen über eine Blase bei den Anlagewerten“ angesichts der Riesensummen, die plötzlich auch in andere asiatische Länder schwappen und dort die Preise hochtreiben.

An Geld kommen Anleger derzeit sehr billig. Seit Ausbruch der Finanzkrise im Sommer 2007 haben Zentralbanken in aller Welt ihre Leitzinsen auf historische Tiefststände gesenkt, die US-Notenbank Fed etwa auf einen Korridor von nur mehr 0 bis 0,25 Prozent. Es lohnt sich also, in den USA günstig Kredite aufzunehmen und dafür irgendwo in Asien Aktien zu kaufen – zum Beispiel in Indonesien, wo sich die Aktienkurse in diesem Jahr eben mal verdoppelt haben.

Die von den Regierungen gestützten und von den Zentralbanken fast kostenlos mit Geld versorgten Banken spekulieren selbst wieder fleißig mit. Auch hochriskante Anlagen sind wieder gefragt. Die Risikoaufschläge für Junk Bonds, also für minderwertige Unternehmensanleihen, sind fast so niedrig wie vor der Krise, meldet die Investmentbank Barclays Capital.

Das Ganze erinnert fatal an die Zeit nach dem Platzen der Dotcom-Blase 2001. Der damalige US-Notenbankchef Alan Greenspan senkte den Leitzinssatz von 6,5 auf 1 Prozent. Unter Abzug der Inflation war der Leitzins sogar negativ, sodass sich Geldausgeben viel mehr rentierte als Sparen. Und die US-Amerikaner gaben Geld aus, vorwiegend für Immobilien. Die Krise der New Economy war so zwar recht fix überwunden – aber um den Preis einer Immobilienblase, die in einem neuen Crash endete. Auf den reagierte Greenspans Nachfolger Ben Bernanke wie sein Vorgänger: Er pumpte billiges Geld in den Markt.

Auch diesmal droht eine neue Blase, zum Beispiel auf den Devisenmärkten. Besonders beliebt bei Spekulanten sind derzeit die sogenannten Carry Trades. Die funktionieren so: Man kauft mit geliehenen US-Dollar Wertpapiere etwa in Australien, wo der Leitzins inzwischen schon wieder 3,5 Prozent beträgt und man tolle Wechselkursgewinne erwarten kann. Die hohe Nachfrage nach australischen Dollar hat dessen Kurs in diesem Jahr um mehr als ein Drittel nach oben getrieben. Da der US-Dollar dagegen an Wert verliert, braucht man am Ende der Laufzeit viel weniger australische Dollar, um in den USA den Kredit abzubezahlen.

Die nahe null gelegenen US-Zinsen und die Dollar-Abwertung zusammen bringen für den Währungsspekulanten etwa 20 Prozent Rendite. Hinzu kommen noch die im Anlageland erzielten Profite. „Jeder Anleger, der dieses riskante Spiel mitmacht, wirkt wie ein Genie, auch wenn er nur auf einer gewaltigen Blase reitet“, schrieb Nouriel Roubini von der New York University, die Kassandra der Ökonomenzunft, kürzlich in der Financial Times. „Je länger und größer die Carry Trades werden, desto stärker wird der folgende Zusammenbruch. Die Fed scheint sich nicht bewusst zu sein, was für eine Monsterblase sie erschafft.“