Portrait
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Deutsche Fußball-Kapitänin unter Druck: Dzsenifer Marozsan Foto: dpa

Kopf
oder Zahl

Eigentlich sind sie nicht zu übersehen, die zwei Schaufensterpuppen mit DFB-Trikots im Zugangsbereich des deutschen Teamquartiers bei der Frauen-EM in den Niederlanden. Auf dem Rücken die Nummer zehn. Und darüber in Großbuchstaben: MAROZSAN. Wer das Presseareal im Mannschaftshotel betritt, sieht Dzsenifer Marozsan also gleich.

Dass den Mannequins der Kopf fehlt, ist halt bei solchen Ausstellungsstücken übrig. Soll aber bloß kein Sinnbild sein. Deutschlands Fußballerin des Jahres, Dzsenifer Marozsan, Triple-Siegerin von Olympique Lyon, beste Fußballerin Frankreichs in der abgelaufenen Saison, ist zum Kopf und Herz der runderneuerten Frauen-Nationalmannschaft ernannt worden. Als vor dem EM-Viertelfinale gegen Dänemark am Samstag (20.45 Uhr) die Frage aufkam, warum denn die Kapitänin noch nicht in Form sei, reagierte Bundestrainerin Steffi Jones mit einem Schutzreflex: „Das sehe ich anders. Sie hat eben einen besonderen Anspruch, will immer etwas Besonderes.“

Bei zwei Elfmetern hat die Mannschaftsführerin der Abwehrchefin Babett Peter den Vortritt gelassen, ehe sie beim 2:0 gegen Russland selbst einen verwandelte. So ist ihr Naturell. Und deshalb hat Jones ihr die Comic-Figur Robin Hood zugeteilt. Wegen ihrer sozialen Ader. Für die in Budapest geborene, seit dem vierten Lebensjahr in Deutschland aufgewachsene Fußballerin gilt: Bloß nicht zu viel Aufhebens machen. Superstar will sie eigentlich nur mit den Füßen sein.

Auf der 25-Jährigen lastet so viel Verantwortung wie nie zuvor. Es gibt Mitspielerinnen wie Newcomerin Linda Dallmann, die trauten sich anfangs nicht, sie überhaupt anzusprechen – so groß ist der Respekt vor deren fußballerischen Fähigkeiten. Marozsan will bei dieser EM unbedingt vorangehen. Immerhin: Bei Olympia im vergangenen Sommer entschied sie das Finale gegen Schweden (2:1) fast im Alleingang. Auch damals gehörte die feine Technikerin zu denjenigen, die in der Vorrunde nicht richtig in Tritt kamen. Wer sie bei dieser EM bereits abschreibt, macht vielleicht einen Fehler. Und die Marozsan-Figuren im Hotel hat auch noch niemand demontiert. FRANK HELLMANN

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