: Der Amazonas als Protagonist
Wassermusik 2Fließen auf der Leinwand: Die Filmreihe zum Festival mit Beiträgen zum Thema
Ein bisschen ist ja immer das Problem, dass man nach den Konzerten schon eine ganze Menge gehört und gesehen hat. Was dann dazu führt, dass um 22 Uhr nicht mehr alle Wassermusik-Besucher zu den Stühlen auf der anderen Seite der Dachterrasse hinüberwollen, um sich die Filme anzuschauen, die nach den Auftritten schließlich auch noch laufen. Was schade ist, denn so droht dieser Teil des Festivals ein wenig, nun, unterzugehen.
An der Qualität der Filme liegt das nicht, und auch bei der zehnten Ausgabe der Wassermusik gibt es gute Gründe, etwas länger aufzubleiben – die Filme vorab zu zeigen, hätte bei einem Freiluftfestival nicht allzu viel Sinn. Gleich zur Eröffnung heute geht es los mit einem waschechten Wasserfilm: „Der Schamane und die Schlange“ (2015) des kolumbianischen Regisseurs Ciro Guerra verknüpft die Geschichten eines Anthropologen und eines Botanikers, die, um 30 Jahre versetzt, den Amazonas auf der Suche nach einer rätselhaften Pflanze bereisen, durch die Figur eines Schamanen, der beide begleitet.
In der übersichtlichen Personenkonstellation rechnet Guerra mit den Verfehlungen und Verheerungen des Kolonialismus ab. Die eigentliche Hauptfigur, zumindest qua Leinwandpräsenz, ist jedoch der Fluss, auf dem die Figuren sich bewegen und den sie nur selten aus dem Blick verlieren. Im scharfen Kontrast der Schwarz-Weiß-Bilder bekommt der Amazonas sogar noch mehr Kontur.
Kolumbien passt als Filmland ohnehin bestens, stammt doch ein gut Teil des Musikprogramms aus diesem südamerikanischen Staat. Von etwas weiter südlich auf dem Kontinent, aus Brasilien, stammt Kleber Mendonça Filhos Spielfilm „Aquarius“ (2016), der seine Festival-Legitimation nicht allein im Titel führt. Clara, die Hauptfigur des Films, gegeben von der großen Sonia Braga, wohnt direkt am Strand von Recife. Und das ist das Problem. Der Komplex steht ansonsten leer, alle übrigen Wohnungen sind verkauft. Der Sohn des Eigentümers plant Spekulationen im großen Stil, dafür will er die alte Anlage abreißen. Bloß Clara hindert ihn mit ihrem passiven Widerstand.
Neben dieser Geschichte vom Recht auf Wohnen erzählt „Aquarius“ vor allem vom Begehren seiner Protagonistin, die sich als ältere Witwe gegen die Rolle der vermeintlich nicht mehr attraktiven Frau wehrt. Noch mehr um seine Titelfigur als ums Wasser geht es schließlich „Félicité“ von Alain Gomis. Der Spielfilm, der dieses Jahr im Wettbewerb der Berlinale lief, folgt der Hauptdarstellerin Véro Tshanda Beya Mputu durch das heutige Kinshasa, an den Fluss tritt sie nur gelegentlich.
Umso mehr Wasser fließt in „Still Life“ (2006). Darin demonstriert der chinesische Regisseur Jia Zhangke am Beispiel des Drei-Schluchten-Staudamms, wie in seinem Land das Alte zum Teil gewaltsam dem Neuen weichen muss. Zhangke, der als Chronist der Modernisierung Chinas gilt und in Filmen wie „A Touch of Sin“ (2013) schon mal zu drastischen Mitteln greift, um seine Botschaft zu überbringen, arbeitete in „Still Life“ zum Teil mit Laiendarstellern zusammen. Was zu den wasserführenden Dokumentarfilmen passt, die ebenfalls auf dem Festival zu sehen sein werden. Tim Caspar Boehme
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