BLOCKADE IN BERLIN BEENDET BLOCKADE DER TÜRKEI-GESPRÄCHE
: Zypern ist keine Bremse mehr

Das Ergebnis der deutschen Wahlen war erst 24 Stunden bekannt, eine neue Regierung liegt noch in weiter Ferne – und doch hat Europa bereits reagiert. Die erste außenpolitische Konsequenz betrifft die EU-Mitgliedschaft der Türkei. Während Berlin in der Blockade steckt, ist sie bezüglich Zyperns und der Beitrittsgespräche mit Ankara aufgehoben.

Monatelang hatten die EU-Außenminister ergebnislos verhandelt, weil die Gegner einer türkischen EU-Mitgliedschaft auf eine neue deutsche Regierung gehofft hatten. Die maximalistische Position der griechisch-zypriotischen Regierung wäre der Hebel gewesen, mit dem eine künftige Regierung aus Kanzlerin Merkel und einem möglichen Außenminister Stoiber vielleicht doch noch den Beginn von Verhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober hätte torpedieren können. Als strahlende Wahlsieger hätten sie vielleicht genug Gewicht gehabt, die griechischen Zyprioten zu einem förmlichen Veto gegen den Beginn der Gespräche zu ermuntern. Daraus wurde nun nichts. Mit diesem Wahlergebnis in Berlin lässt sich in der EU keine Neuausrichtung der gesamten Türkei-Politik, keine Abkehr vom Kurs der Annäherung durchsetzen, auch nicht bei einer großen Koalition in Deutschland.

Das ist allen klar, und deshalb war der Streit schon Montagabend beendet. Zypern als Konfliktthema ist aufgeschoben, und die Verhandlungen werden nun termingerecht genau so beginnen, wie sie während des EU-Gipfels im Dezember letzten Jahres festgelegt worden waren. Damit aber beginnt auch der Hindernislauf für die Türkei erst wirklich, und er wird mehrere Jahre dauern. Denn jedes der 65 Verhandlungskapitel, die alle einzeln abgeschlossen werden müssen, bietet den Zyprioten eine neue Gelegenheit, mit einem Veto zu drohen.

Merkel konnte zwar den Verhandlungsbeginn jetzt nicht verhindern. Noch ist es aus Sicht der Türkei-Gegner nicht zu spät. Allerdings nur, wenn die neue Kanzlerschaft doch noch von der CDU gestellt wird. JÜRGEN GOTTSCHLICH