Fans haben keinen Bock auf den Gipfel

Gewalt Niedersachsens Innenminister will sich mit Fußballfans treffen, um über Krawalle zu reden – aber die sich nicht mit ihm. Boris Pistorius (SPD) hatte zuvor lebenslange Stadionverbote gefordert

Millionenausgaben für Polizeieinsätze, Bengalos in der Kurve und Krawalle beim Derby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig: Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat in puncto Fußball Redebedarf. Deshalb hat er für August einen Fußballgipfel einberufen. Geplant ist ein Dialog zwischen allen, die man in einem Stadion findet: Vereine, Aktive, Schiedsrichter, Funktionäre – und natürlich die Fans. Aber es gibt ein Problem: Die Fans wollen nicht.

Die Braunschweiger, Osnabrücker, Wolfsburger und hannoversche Gruppe der Fanorganisation „Pro Fans“ haben in einer Stellungnahme die „Showveranstaltung“ des Ministers kritisiert, der die Fankultur als „Steigbügelhalter für eine Kandidatur zum Bundesinnenminister“ nutzen wolle. Pro Fans, ein Forum für verschiedene regionale Fan- und Ultragruppierungen, lehnt eine Teilnahme am Gipfel ab. Und der Minister hat auf die Kritik reagiert.

Die Veranstaltung findet nun erst im November statt. Dann sollen die Beteiligten hinter verschlossenen Türen diskutieren. „Bei dem Gipfel geht es nicht um großes Tamtam, sondern um die Sache“, begründet der Sprecher des Innenministeriums Philipp Wedelich diesen Schritt. Es sei ein Entgegenkommen für die Fanverbände, dass die Öffentlichkeit erst einmal ausgeschlossen bleibt.

Und bei dem Treffen solle nicht nur über Gewalt diskutiert werden, sondern über alles, was Fans und Vereine stört, sagt Wedelich. Auch Themen wie die Kommerzialisierung des Sports sollten besprochen werden.

Doch die Fans sind verärgert. Gleichzeitig mit der Ankündigung des Gipfels hatte Pistorius gewaltbereiten Fans in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung mit einem Ausschluss vom Spiel gedroht: „Ich sage es nicht gerne, aber die ultimative Ratio sind leere Kurven, wenn die Gewalt von Teilen der Fanblocks auch durch die Polizei und Ordner nicht mehr beherrschbar ist.“ Zudem dachte er laut darüber nach, Stehplätze aus den Stadien zu verbannen oder lebenslange Stadionverbote zu verhängen. „Ich frage mich auch, woher der teilweise verbreitete Irrglaube stammt, dass Pyrotechnik zum Fußball dazugehört“, sagte Pistorius.

Pro Fans hat bereits in einer neuen Stellungnahme klargestellt, dass die Gruppierung auch an dem zweiten Gipfeltermin nicht teilnehmen wird. Es gebe keine Dialogbasis, heißt es weiter.

Die Gruppe fordert, dass Fans nicht an der Anreise zu Spielen gehindert würden, den Erhalt von Stehplätzen als wesentlichem Bestandteil der Fankultur oder die Abschaffung von Datenbanken über gewaltbereite Fußballfans. Zudem lehnt Pro Fans Stadionverbote ab: „Sie stellen eine Doppelbestrafung der Täter dar.“ Es sei vielmehr Aufgabe des Rechtsstaats, Straftaten zu sanktionieren, heißt es in der Stellungnahme. Erst wenn diese Punkte erfüllt seien, könne man Gespräche führen.

Wedelich findet die Absage der Fans schade: „Wenn es weiter keine Dialogbereitschaft seitens einzelner Fanorganisationen geben sollte, wäre das sehr bedauerlich.“ Andrea Scharpen