Liberale brauchen keine Mehrheit

Planspiel 3 oder Westerwelles Traum: Eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung

BERLIN taz ■ So stur wie Gerhard Schröder bin ich schon lange, muss sich Guido Westerwelle irgendwann in den letzten Tagen gedacht haben. Denn der FDP-Chef hat trotz fehlender Mehrheit die Hoffnung auf eine schwarz-gelbe Regierungsbildung noch nicht aufgegeben. „Wie er denn regieren wolle?“, wurde Westerwelle gestern vor der Presse gefragt, mindestens zehn Mal. Die Antwort des vom Wendehals zum halsstarrigen Machtpolitiker gewandelten Liberalen war immer die Gleiche: „Wir wollen Schwarz-Gelb.“ Vor der Wahl. Nach der Wahl. Wie auch immer.

Guido Westerwelle glaubt einen Weg gefunden zu haben, sein 9,8-prozentiges Wahlergebnis doch noch in eine Regierungsbeteiligung umzumünzen, ohne sich in ein ungeliebtes Ampel- oder Schwampel-Bündnis stürzen zu müssen: die Minderheitsregierung. Die Unterstützung eines solchen Bündnisses von außen sei „denkbar“, wenn auch „Spekulation“, sagte Westerwelle gestern. Wichtig sei „ein Politikwechsel“.

Auf diesen Politikwechsel wollen sich Union und FDP bereits am Donnerstag verständigen. Das Kalkül: Die Parteien könnten bereits bei ihrem ersten Sondierungsgespräch ein vorläufiges Regierungsprogramm schriftlich fixieren. Dieses Programm könnte dann als Grundlage für spätere Verhandlungen mit den Grünen dienen. Denen wiederum blieben in diesem Fall drei Möglichkeiten: Entweder, sie stimmen einer Koalition unter Anerkennung der CDU-FDP-Positionen zu, sie lehnen ab – oder sie erklären sich bereit, eine mögliche schwarz-gelbe Minderheitsregierung zumindest in einzelnen Punkten parlamentarisch zu unterstützen.

Nur Unsinn? Die Unions-Spitze schweigt noch, doch Christdemokraten aus der zweiten Reihe sprachen sich gestern für ein solches Modell aus: „Man kann nichts ausschließen“, sagte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt. CDU-Vize Christoph Böhr ging sogar noch weiter: „Möglicherweise schon ganz bald“ könnte sich Angela Merkel im Bundestag auch ohne sichere Koalition zur Kanzlerinnenwahl stellen. Ähnlich denkt Hessens Landeschef Roland Koch.

Verfassungsrechtlich ist dieser Weg zwar schwierig, aber gangbar (siehe Kasten Seite 5). Allerdings ist er auch aus strategischen Gründen riskant: Bei einer geheimen Abstimmung von Merkel gegen Schröder müsste die Union darauf bauen, dass zumindest ein Teil der grünen Fraktion ins bürgerliche Lager überläuft. Sollte das nicht geschehen, bleibt nur die Hoffnung auf eine Enthaltung der Linkspartei. Deren Spitze hat zwar erklärt, dass sie niemandem als Kanzlermacher dienen werde – allerdings kann Gysi auch nicht garantieren, dass sich in seiner bunt zusammengewürfelten Fraktion nicht einzelne WASG-Kollegen ihrer sozialdemokratischen Herkunft besinnen und heimlich für Schröder stimmen. KLAUS JANSEN