Ihr Kinderlein kommet

Bildung Eine Studie prognostiziert 2025 rund 8,3 Millionen Schüler in Deutschland, über eine Million mehr, als bisher vorausgesagt. Genügend Lehrer gibt es derzeit nicht

Höher, schneller, weiter – mehr. In Turnhallen könnte es eng werden Foto: Markus Ulmer/picture alliance

von Laura Weigele

BERLIN taz | Elternabend in einer Berliner Grundschule zum Thema: „Übergang auf die weiterführende Schule“. Ein Lehrer der nahe gelegenen Oberschule referiert, die Eltern lauschen interessiert. Und dann kommt dieser Satz: „Wir haben derzeit zu viele Anmeldungen, wenn Ihr Kind an unsere Schule will, braucht es einen Durchschnitt von 2,2 oder besser.“ Unruhe macht sich unter den Eltern breit. Und was machen Kinder mit einem schlechteren Zensurendurchschnitt fragen sich die Eltern? Müssen die sich darauf einstellen, quer durch die Stadt zu einer Schule zu pendeln, an der es noch freie Plätze gibt?

Die Sorgen von Eltern dürften in Zukunft noch zunehmen. Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung prognostiziert, dass die Schülerzahlen kräftig ansteigen. Bis 2025 wird es demnach rund 8,3 Millionen Schüler geben. Das sind etwa 1,1 Millionen mehr, als die Kultusministerkonferenz (KMK) 2013 einschätzte. Besonders dramatisch wird die Lage in den Stadtstaaten, wo die Schülerzahlen der Bertelsmann-Prognose zufolge bis 2030 um etwa 30 Prozent ansteigen.

In ihre Berechnung bezog die Stiftung die aktuellen Schüler-, Geburten- und Zuwanderungszahlen ein. „Die primäre Ursache für den deutlichen Anstieg der Schülerzahlen liegt an der dynamischen Geburtenentwicklung“, meint Dirk Zorn von der Bertelsmann-Stiftung.

Das hat Folgen. Ändert sich die Größe der Klassen nicht, könnten an Grundschulen im Jahr 2025 rund 25.000 Lehrer fehlen. An weiterführenden Schulen sinken die Schülerzahlen in den nächsten Jahren zunächst, doch das Problem wird dort zeitversetzt ankommen. So werden 2030 in der Sekundarstufe I zusätzlich 27.000 LehrerInnen benötigt. Der Mangel könnte jedoch noch viel drastischer ausfallen, befürchtet die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe. „In der Studie wird nur berechnet, wie viele weitere Lehrkräfte man braucht, Pensionierungen sind nicht einberechnet“, so Tepe zur taz. Pro Jahr schließen rund 35.000 Referendare ihre Ausbildung ab, 2015 gingen knapp 28.000 verbeamtete Lehrer in Pension. Es gibt keine Zahlen, wie viele angestellte Lehrkräfte pro Jahr in Rente gehen.

Auch die Forderung der Politik nach Ganztagsschulen setze zusätzliche Stellen voraus, meint Tepe. Bereits heute improvisieren die Länder. „In Sachsen-Anhalt wird nur jede zweite freigewordene Stelle nach einer Pensionierung durch einen qualifizierten Lehrer besetzt“, sagt Tepe.

Die aktuellen Zahlen der Bertelsmann-Stiftung konterkarieren die bisherige Schulschließungspolitik der Länder. Seit der Jahrtausendwende wurden rund 1.800 Grundschulen geschlossen. Zudem müssen viele Schulen dringend saniert und modernisiert werden, der Deutsche Städte- und Gemeindebund veranschlagt den Investitionsstau bereits heute auf 34 Milliarden Euro.

An Grundschulen könnten im Jahr 2025 rund 25.000 Lehrer fehlen

Die Bertelsmann-Studie geht davon aus, dass Länder und Gemeinden im Jahre 2030 4,7 Milliarden Euro mehr für Bildung ausgeben müssen. „Es ist eine gewaltige Aufgabe, den Rückstand aufzuholen und gleichzeitig auf dem neuesten Stand zu bleiben“, sagt Alexander Handschuh vom Städte- und Gemeindebund. Wenn man sich jetzt an die Arbeit begebe, sei jedoch noch ausreichend Zeit, sich vorzubereiten.

Die KMK teilte mit, sie werde eine Vorausberechnung für Schüler- und Absolventenzahlen einleiten, die spätestens im Sommer 2018 veröffentlicht werden soll. Eine Berechnung des Lehrerbedarfs soll bis Ende 2018 vorliegen.

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