Zehn Millionen futsch

ARBEITSLOSE Auch im Jahr 2012 geht jede Menge Geld an Fördermitteln nach Berlin zurück. Sozialsenator fordert mehr Handlungsspielraum

■ Trotz guter Konjunktur bleibt die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Hamburg hoch. Im Oktober waren es 48.832 Menschen.

■ Der Eingliederungstitel für diese Gruppe wurde vom Bund halbiert: von 187 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 97 Millionen in 2013.

■ Auch hat die Arbeitsagentur die Integrationsquote von 14,7 auf 25,6 Prozent erhöht. Nur wenn so viele Menschen einen Job finden, gelten Vermittler als erfolgreich.

■ Aus dem Titel werden 28 verschiedene Maßnahmen bezahlt. Von beruflicher Weiterbildung und 1-Euro-Jobs bis zum Sonderprogramm für Jugendliche.

„Hamburg knausert für Berlin“, titelte die taz vor einem Jahr, als sie herausfand, dass fast 20 Millionen Euro des ohnehin gekürzten Eingliederungstitels (EGT) für Langzeitarbeitslose an den Bund zurück gehen. Das wiederholt sich. Auch in diesem Jahr sind nur 90 Prozent der Mittel verplant, deshalb fließen bis zu zehn Millionen Euro ungenutzt zurück. Arbeitssenator Detlef Scheele (SPD) hat nun restriktive Vorgaben von Bund und Bundesarbeitsagentur (BA) als Ursache dafür ausgemacht und appelliert in einem Brief an BA-Vorstand Heinrich Alt, diese zu lockern.

„Ich glaube, dass alle Kommunen das gleiche Problem haben“, sagt Scheele, der am 28. November auf der Sozialminister-Konferenz dazu einen Antrag stellen will. Bundesweit bleiben sogar bis zu 300 Millionen Euro übrig. Dies liege an den Vorgaben aus Nürnberg. So würden die Jobcenter durch Zielquoten angehalten, sich auf „marktnahe Arbeitslose“ zu konzentrieren. Das führe dazu, dass weniger teure, langfristige Maßnahmen für Geringqualifizierte bewilligt würden. Auch sei es den Jobcentern nicht gestattet, längerfristige Maßnahmen, die über März 2013 hinausgehen, zu bewilligen. Und Langzeitarbeitslose, die beispielsweise in einer Schulküche einen geförderten Job antreten wollen, müssen gleich mehrfach ihre Beeinträchtigung nachweisen.

Das absurde an der Situation: Obwohl der EGT immer weiter schrumpft – im Jahr 2013 erhält Hamburg nur noch 97 Millionen Euro – fließen Jahr für Jahr die Millionen zurück. Scheele fordert den BA-Chef auf, dafür einzutreten, dass Restmittel auf 2013 übertragen werden.

Die BA zeigt sich kooperativ. „Wir sitzen in einem Boot“, sagt Alts Sprecherin Anja Huth. „Wir brauchen mehr Spielraum in der Grundsicherung.“ Darüber sei man mit dem Arbeitsministerium im Gespräch. Denkbar wäre, alle drei Jahre abzurechnen. Aktuell erlaube das Recht die Übertragung leider nicht.

Das sieht Petra Lafferentz von der Vollversammlung der Hamburger Beschäftigungsträger anders. Scheele habe eine Mehrheit in der Trägerversammlung des Hamburger Jobcenters und könne dort beschließen, die Restmittel auf Januar zu übertragen. Das wäre ein politisches Zeichen. Scheele habe sich „verzockt“, sagt Lafferentz. Da Unwägbarkeiten bei der Besetzung von Maßnahmen bekannt waren, hätte sein Jobcenter in 2012 gleich 110 Prozent des EGT verplanen müssen, um 100 Prozent auszuschöpfen.

Immerhin das wird wohl passieren. „Wir werden 2013 bei der Planung über 100 Prozent gehen“, sagt Scheele zur taz. KAJ