Die drei Fragezeichen
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16. Juni: Eröffnung der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee Foto: Michael Sohn/ap

„Seht, wie wir bedroht werden!“

WIE WEITER? Vergangene Woche eröffnete die Anwältin Seyran Ateş die erste liberale Moschee Berlins, in der zum Beispiel Frauen vorbeten können und auch Lesben, Schwule und Trans* willkommen sind. Jetzt hat Sie Morddrohungen erhalten

taz: Frau Ateş, Sie haben nach der Eröffnung der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee mit Drohungen zu kämpfen. Was genau ist passiert?

Seyran Ateş:Die Drohungen haben mich auf unterschiedlichen Kanälen erreicht: Ich bin angerufen und auf der Straße angepöbelt worden. Und dann gab es ganz viele Reaktionen auf Facebook. Sowohl auf meiner persönlichen Seite als auch auf der der Moschee. Da hieß es dann zum Beispiel: „Verbrenn in der Hölle“, „Allah wird schon das Richtige machen“, „Ihr kriegt noch eure Strafe“, „Hure, Nutte, Fotze“. Alles, was man sich vorstellen kann. Und auch das türkische Amt für Religionsangelegenheiten erklärt uns zu Terroristen, die die Religion angreifen.

Wie gehen Sie damit um?

Ich bin schon in der Vergangenheit immer wieder bedroht worden. Aber ich gucke nach vorn. Es gibt auch sehr viel Zuspruch und positive Meldungen. Und es gibt den Schutz durch das LKA. Natürlich werden wir nicht aufhören. Wir werden weitermachen mit neuen Projekten. Und ich sage wir, denn ich arbeite nicht mehr allein, sondern im Team.

Seyran Ateş

Foto: ap

ist Rechtsanwältin und Autorin. 1984 wurde sie von einem türkischen Nationalisten angeschossen und schwer verletzt. Nach weiteren Bedrohungen zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück. Seit 2012 ist sie wieder als Anwältin in Berlin tätig.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem, was Sie erleben?

Wir müssen nach wie vor Gegenaufklärung betreiben, mit dem Islam gegen den Islamismus. Aber ich will auch denjenigen zurufen, die Muslime auffordern, nach Terrorakten auf die Straße zu gehen: Jetzt sind wir da. Seht, was wir für Drohungen bekommen! Das ist der Grund, warum sich bisher niemand getraut hat aufzustehen. Wir wollen das zeitgemäße Gesicht des Islam zeigen, friedlich und geschlechtergerecht. Aber dazu müssen wir geschützt werden durch die Mehrheitsgesellschaft – von der Justiz, der Politik, der Wirtschaft.

InterviewKathrin Müller-Lancé