Canossa liegt am Kanzleramt

Nach den „Blühenden Landschaften“ zur CDU: ein mulmiges Gefühl

Man kann sich auch im Vorfeld zu viele Gedanken machen

Canossa kann auch in Berlin liegen, gleich neben dem Kanzleramt. Die Berliner CDU-Fraktion hat dort, am und im „Tipi“, am Dienstag ihren Jahresempfang zelebriert. Da muss man auch als taz-Journalist hin, wenn man sonst das ganze Jahr über die Christdemokraten schreibt, es gibt ja auch leckeres Essen.

Was die Teilnahme in diesem Jahr speziell macht und ein bisschen an den Bußgang in das besagte Canossa erinnert (nein, das wird hier nicht erklärt, das sollte man einfach kennen, sonst: www.de.wikipedia.org/wiki/Gang_nach_Canossa), ist die Tatsache, dass erst vier Tage seit jener taz-Titelseite zum Tod des langjährigen CDU-Chefs und Kanzlers Helmut Kohl vergangen sind, über die der Chefredakteur entschuldigend schrieb: „Das ging daneben.“

Es ist wie so oft: Man kann sich auch im Vorfeld zu viele Gedanken machen. Sie sind zurückhaltend, die Christdemokraten, und sprechen einen meist gar nicht drauf an. Ihre Landesvorsitzende Monika Grütters, sie ist nicht ohne Grund auch Kulturministerin, sagt lächelnd: „War da was?,“ als man in der Warteschlange am Buffet auf die Causa zu sprechen kommt.

Nicht nur als tazler ist es ein Abend unter besonderen Umständen. Auch Kabarettist Frank Lüdecke, den sich die CDU-Fraktion für einen kurzen Auftritt eingeladen hat, konnte bei seiner Zusage nicht vom Ableben des Altkanzlers ausgehen. Was sagen, das nicht zu brav klingt und trotzdem nicht … Na ja. Lüdecke, der den rund 800 Gästen erzählt, er würde eigentlich nicht bei Parteien auftreten, ist da ganz diplomatisch: Kohl war für ihn „ein wichtiger Faktor, dass ich Kabarettist geworden bin“.

Florian Graf, der Fraktionschef, nennt Kohl einen „Freund Berlins“ – das Kanzleramt gleich nebenan entstand ja auch nach dessen Vorstellungen. Wobei man natürlich fragen könnte, ob der Riesenbau, in dem man eine große Waschmaschine sehen, den man aber auch für eine Trutzburg wie Canossa halten kann, tatsächlich ein Freundschaftsdienst für die Stadt war. Stefan Alberti