Kommentar von Benno Schirrmeisterüber Allein- und Gleichstellungsmerkmale: Jamaika braucht Karlsruhe nicht
Von einem vergifteten Geschenk Volker Becks war die Rede: Der aus dem Bundestag scheidende Menschenrechtler, seit Jahrzehnten Frontmann des Kampfes für eine Gesellschaft ohne Geschlechterdiskriminierung, hatte den Grünen beim Bundesparteitag ins Wahlprogramm diktiert, sich keiner Koalition anzuschließen, die sich der Ehe für alle verweigert. Der Vorschlag hätte „das Zeug, ein schwarz-grünes Bündnis oder eine Jamaika-Koalition zu verhindern“, unkte daraufhin die Wochenzeitung Die Zeit.
Die Fakten strafen derartige Kommentare Lügen. Das zeigt sich in Schleswig-Holstein. Denn der Entwurf des Jamaika-Koalitionsvertrags zwischen CDU, FDP und den Grünen gibt in dieser Frage der künftigen Landesregierung nicht nur auf, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, „dass die zivile Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wird“. Er präzisiert sogar noch weiter, dass damit „auch eine volle adoptionsrechtliche Gleichstellung“ gemeint sei.
Das ist eine Maximalforderung: Gerade das Adoptionsthema ist ein Feld, auf dem ressentimentgeladene Debatten gut gedeihen. Dass der Vertragsentwurf sie so unmissverständlich formuliert, wirkt wie ein klarer Grünen-Erfolg, selbst wenn die FDP die gleiche Position im Wahlprogramm erwähnt, und selbst wenn Daniel Günthers CDU diese Konfliktlinie längst geräumt hatte.
Lustig: Minimierte großstädtische Landesverbände der Union, Berlin etwa, kapseln sich wieder in reaktionären Hetero-Ideologien ein. Auf dem platten Land, wo die CDU ihre Mehrheiten holt, ist man da schon weiter.
Als die „Queer-Lobby“ haben sich in Schleswig-Holsteins Wahlkampf aber nur die Grünen inszeniert. Und auch der Abgleich mit dem simultan verhandelten schwarz-gelben Koalitionsvertrag in Nordrhein-Westfalen zeigt: Wo sie nicht mitmischen, geht dieses Anliegen jedenfalls nur in unverbindlichen, freundlich klingenden Gemeinplätzen unter. Die aber bringen nichts, was sich einklagen ließe.
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