Unter Aufsicht
: Polizist spielt Attentäter

Ist das ein schöner Sonntag, denke ich. Nett in der Mittagspause essen gehen beim indischen Imbiss an der Ecke Holstenstraße/Suttnerstraße, danach zurück ins Büro (ja, Redakteure arbeiten manchmal sonntags).

Da sitz ich also im Imbiss, es ist der 18. Juni um 14.20 Uhr, ich mümmel mein Gemüse und denk an nichts Böses. Aber man ahnt es schon: Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben … und richtig: Polizeiens G-20-Übung kennt weder Sonntag noch Shabbat noch Ramadan und wie sie alle heißen.

Außerdem muss man ja gerade dann zuschlagen, wenn keiner damit rechnet. Wenn die Bevölkerung entspannt vor sich hinlebt – wie die drei jungen Mädchen in T-Shirts und Shorts, Touristinnen offenbar, die nichts ahnend die Suttnerstraße überqueren wollen, eine ruhige Nebenstraße.

Darauf scheint das aus Richtung Max-Bauer-Allee auf der Holstenstraße heranrollende Polizeiauto gewartet zu haben. Schlagartig geht das Martinshorn an, flugs werden die grellen Blink-Leuchten angeworfen. Dann rast der Wagen los, biegt ohne Vorwarnung mit 150 Sachen in die Suttnerstraße. Pech für die Mädchen: Sie sind grad in der Mitte der Straße, erstarren geschockt, eine stolpert, fällt fast.

Den Polizisten beeindruckt das nicht. Er fährt stracks in die Gruppe, wie wir es von diversen LKW-Attentätern kennen. Oder von denen, die illlegale Straßenrennen machen und auch gelegentlich Passanten überfahren. Ich sehe es kommen, schreie von innen gegen die Imbiss-Scheibe, der Polizist bremst scharf, die jungen Frauen entkommen knapp. So brutal fährt nicht mal der Rotkreuz-Rettungswagen im Noteinsatz.

Aber anhalten, aussteigen, sich entschuldigen? Keinesfalls, der Polizist rast weiter – kleiner Sonntagsgruß an die spielenden Kinder der Suttnerstraße. Was wohnen die auch in einer Straße, die nach einer aufmüpfigen Frauenrechtlerin heißt? By the way: Üben bei diesen Ad-hoc-Rasereien nicht immer mehrere Polizeiwagen? Dieser war allein unterwegs; hatte er überhaupt Order? Und wie sollen wir Normalbürger die Wochen bis zum G-20-Gipfel überleben, wenn uns der „Freund und Helfer“ jederzeit zu überfahren droht?

Ja, genau diese Gedanken soll ich mir wahrscheinlich machen. Ich soll mich eingeschüchtert fühlen und fehl am Platz. Vielleicht sollten sie uns einfach alle evakuieren. Dann hätten sie Ruhe vor den lästigen Bürgern. Außerdem ginge es schneller, als jeden von uns einzeln zu überfahren. Petra Schellen

Der G-20-Gipfel findet längst statt. Im Alltag der Karoviertel-Bewohner. Die erzählen hier, was sie beobachten.