In Zukunft weniger marginal

GIPFELTREFFEN Zum zehnten Geburtstag des Gunda-Werner-Instituts versammelten sich namhafte FeministInnen bei der Tagung „Meet Your Idol“ in der Berliner Böll-Stiftung

Feministische Brille: Plakat der Berliner Tagung „Meet Your Idol“ Foto: Heinrich-Böll-Stiftung

von Heide Oestreich

Endlich! 15 Minuten Ruhm! Ich bin ein Idol! „Meet Your Idol“ ist angesagt am Samstagabend in der Heinrich-Böll-Stiftung und ich bin eins davon. Entzückend! Sie feiern, dass es seit zehn Jahren das Gunda-Werner-Institut gibt, einen kleinen, aber regen feministischen Thinktank in der Grünen-nahen Stiftung.

Idol also. Ersatzidol, wäre wohl besser ausgedrückt. Ich wurde nämlich erst vor ein paar Tagen angefragt. Als die Philosophin Christina Thürmer-Rohr schon abgesagt hatte und einige andere auch. Wegen des Idolbegriffs. Ich dagegen, die natürlich auch im Geist von „Kill Your Idols“ (Guns N’ Roses) aufgewachsen ist, nehme das Ganze nicht so richtig ernst. Und ein bisschen geschmeichelt bin ich auch als Ersatzidol trotzdem noch. Deshalb gleich ein Spoiler: Die Autorin dieses Textes ist vollkommen befangen, bestochen, embedded. Bitte achten Sie darauf, ob sie überhaupt noch kritikfähig ist.

Wenn man überlegt, dass das einzige in der breiten Öffentlichkeit bekannte feministische Idol Alice Schwarzer heißt, dann ist es aber vielleicht gar nicht so verkehrt, ein paar andere Idole danebenzustellen. Und wenn man dann die Böll-Stiftung betritt, am Samstagabend, dann steht da als Erstes ein Spiegel, der einlädt: Meet Your Idol. Also nicht nur 15 Minuten Ruhm für wenige, sondern ganz im Warhol’schen Sinne für alle.

25 Leute haben sie aufgetrieben, die als „Idole“ getroffen werden können. Von der Professorin für Geschlechterforschung, Sabine Hark, über Autorin Sarah Diehl (Film „Abortion Democracy“) , die Rechtsprofessorin Ulrike Lembke, Exsenatorin Adrienne Goehler, den Online-Aktivisten Tarik Tesfu („Tariks Genderkrise“), Rapperin Sookee oder Jamie Schearer von der Initiative Schwarze Deutsche. Die anderen Idole, die nicht extra benannt wurden, vulgo das Publikum, werden den 25 zugelost, in Vierergruppen geht es je 15 Minuten in ein Separee aus Pappwänden.

Das GWI wird zehn Jahre alt. Hervorgegangen aus dem feministischen Institut der Böll-Stiftung, das noch kleiner war als das GWI, das heute immerhin mit Ines Kappert und Henning von Bargen ein Führungsteam und vier Referentinnen hat. Das Ziel der Umwandlung: Man wollte Geschlechterdemokratie ernst nehmen und sich mit Männern zusammenschließen. Klingt schick, erwies sich aber als Riesenproblem. Zum einen kann man emanzipatorisch ausgerichtete Männeraktivisten mit der Lupe suchen. Zum anderen finden viele Feministinnen das Konzept keineswegs überzeugend. Die scheinbare Symmetrie entspreche so gar nicht der Realität, in der es eine heftige Männerdominanz gebe. Männer in einen ohnehin nicht großen feministischen Raum zu lassen, verkleinere diesen zwangsläufig.

Das GWI hat diese Einwände immer ernst genommen – und deshalb sieht es jetzt vielleicht auch so aus, wie es aussieht: fünf Frauen, ein Mann. Unter den „Idolen“: ein Mann. Im Publikum, das vielleicht aus 400 Leuten besteht: etwa 20 Männer oder Männerähnliche.

Debatten bündeln

Inhaltlich: Debatten bündeln, das gelingt dem Institut ganz gut. Sie haben Formate, die auch online funktionieren, veröffentlichen feministische Zwischenrufe, veranstalten Streits und Diskussionen, die man online nachgucken kann. Schwerpunkte sind Einwanderung, Netzpolitik, reproduktive Rechte und Antifeminismus/Rechtspopulismus. So wird das Institut demnächst ein Lexikon des Antifeminismus online stellen, damit Menschen etwa dessen Wortführer besser einordnen können, wie Ines Kappert erklärt. Manko der Angelegenheit: Das Institut vernetzt und arbeitet – aber wer kennt es? Gunda Werner, wer ist denn das überhaupt? Gunda Werner kam von der „Frauen Anstiftung“, einer der Vorläuferinnen der Böll-Stiftung, und hatte die Idee zum feministischen Institut. Kein Name, der in der Öffentlichkeit einen Widerhall fände.

Kann man nicht auch einfach im Hintergrund bleiben als eine Art Dienstleisterin für feministische Anliegen? Schwierige Frage. Vor allem heute. Alle RednerInnen betonen, dass genau diese Anliegen unter Druck sind. Nicht nur die AfD macht Stimmung gegen den „Genderwahnsinn“, „die Angriffe kommen auch aus der Mitte heraus“, so Barbara Unmüßig. Reicht es da, im Hintergrund zu bleiben? Wir gehen in die Separees, und dort sitze ich dann tatsächlich mit zugelotsten Vertreter*innen der Genderstudies, Journalist*innen und einem Transmann, die sich alle fragen, wie ihnen gerade geschieht. Die Unifrauen sind ganz Wissenschaftler*innen und kritisieren die unsachliche Kritik und die verkürzten Darstellungen ihres Faches in der Öffentlichkeit. Journalist*innen beklagen, dass die Genderstudies sich nicht besser präsentieren, und Unifrauen beschweren sich mit einem gewissen Recht darüber, dass das ja nun überhaupt nicht ihre Aufgabe sei. Sie fragen, wo denn der Ranga Yogeshwar ist, der auch mal ihre Wissenschaft mit Filmchen und Bildchen erklärt. Die ältere Journalistin findet, dass ihre Generation feministische Räume in der Öffentlichkeit nicht halten konnte. Tiefpunkt für sie: Die taz schafft ihre Frauenseite ab. Meine Wahrnehmung dagegen: Die Frauenseite ist im feministischen Winter der nuller Jahre schlicht erfroren, weil in meiner Generation und darunter kaum jemand Feministin sein wollte. „Liest keiner“, lautete die Diagnose damals.

Junge Frauen verweisen aufs Netz. Wer liest schon Zeitungen? Ja, aber wer bestimmt den Diskurs? Printzeitungen leisten sich heute vielleicht eine feministische Kolumnistin, weil es gerade schick ist. Aber in den Redaktionen ist das Thema kein bisschen verankert, im Gegenteil.

Weithin marginalisiert oder die Zukunft? Der Feminismus, die Genderstudies und auch das Gunda-Werner-Institut stehen vor genau dieser interessanten Frage. Hört man den jungen Leuten im Separee zu, klingt die Antwort ziemlich eindeutig.

Heide Oestreich war Teilnehmerin der Tagung und schreibt für die Böll-Stiftung den „feministischen Zwischenruf“