Wuchtiger Aufschlag für den Wahlkampf

Ertrag Die Bilder von brennenden Barrikaden haben den G20-Gipfel überlagert. Was hat das Treffen Angela Merkel gebracht?

Die logische Folge ihrer ­Kommunikationsstrategie: Merkel lässt sich sofort nach dem Gipfel mit Polizisten, Feuerwehrleuten, Sanitätern und SEKlern ­fotografieren Foto: Patrik Stollarz reuters

Aus Hamburg und Berlin Anja Maier

Es hilft nichts. Wer fragt, was dieser G20-Gipfel Angela Merkel gebracht haben mag, muss auf die Ausschreitungen des Wochenendes zurückschauen. Denn G20 in Hamburg – das wird im gesellschaftlichen Gedächtnis als Chiffre für die Gleichzeitigkeit von Macht und Gewalt haften bleiben.

Sosehr man auch versucht, sich auf die Ergebnisse des Gipfels der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zu fokussieren – es funktioniert nicht ohne die Bilder von zerstörten Geschäften, brennenden Barrikaden, verzweifelten Anwohnern, bewaffneten Polizisten und Vermummten.

Zum gleichen Zeitpunkt nämlich, da am Freitagabend das Schanzenviertel von Gewalttätern und Krawalltouristen heimgesucht wurde, hörten dreieinhalb Kilometer entfernt die Mächtigen der Welt Beethoven. Angela Merkel hatte sich für den Abend in der Elbphilharmonie in einen roséfarbenen Blazer geworfen und lauschte andächtig der Neunten Symphonie. Nach dem Konzert jedoch konnten viele der geladenen Gäste den Veranstaltungsort nicht verlassen. Hamburg war zu einem sehr gefährlichen Ort geworden.

Als der Gipfel tags darauf schließlich zu Ende ging, kam die Kanzlerin nicht umhin, von sich aus das Thema anzusprechen. Bei ihrer Abschluss-Pressekonferenz in der Hamburger Messe lobte sie das Kommuniqué der Teilnehmer und dankte gleich anschließend den Einsatzkräften, die während des Gipfels dafür gesorgt hatten, dass Merkels Gäste nicht allzu sehr vom Protest beeinträchtigt wurden.

PolizistInnen hätten, sagte Merkel, den Gipfel geschützt „und gleichzeitig auch das Recht auf friedliche Demonstrationen“ gewährleistet. Zugleich verurteilte sie „die entfesselte Gewalt und ungehemmte Brutalität“ in der Stadt. „Wer so handelt, dem geht es nicht um politische Kritik oder um ein besseres Leben für die Menschen auf dieser Erde. Wer so handelt, der stellt sich außerhalb unseres demokratischen Gemeinwesens.“

Es war klar: Selbst die bestabgeschotteten Staatsoberhäupter hatten mitbekommen, dass sich in Deutschland, dessen Regierungschefin so gern „die westlichen Werte“ hochhält, Gewalttäter kurzzeitig die Stadt zur Geisel genommen hatten. Darüber kann auch nicht der Tweet von US-Präsident Donald Trump hinwegtäuschen, der nach seiner Abreise schrieb: „Alle fühlten sich total sicher, trotz der Anarchisten.“

Dass Merkel sich sofort nach dem Gipfel-Ende gemeinsam mit Polizisten, Feuerwehrleuten, Sanitätern und SEKlern fotografieren ließ, war die logische Folge ihrer Kommunikationsstrategie. Die Botschaft: Ihr seid wir – und wir grenzen uns von den Gewalttätern ab. Im Früh­abendlicht sieht man also Angela Merkel im Kreise der Helfer. Neben ihr sitzt zusammengesunken Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz, am Rand wartet hechelnd ein Rettungshund auf seinen nächsten Einsatz. Dabei hätte man es belassen können. Aber die Gelegenheit, sich innen- und sicherheitspolitisch zu profilieren, war zu günstig. Schließlich sind in elf Wochen Bundestagswahlen, und die Kanzlerin muss dringend den Eindruck vermeiden, G20 könnte ein millionenteurer Misserfolg gewesen sein. Noch dazu einer, bei dem dem Staat das Gewaltmonopol abhandengekommen ist.

Merkels Botschaft: Ihr seid wir – und wir grenzen uns von den Gewalttätern ab

Einen wuchtigen Aufschlag in diese Richtung setzte Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmaier. „Linksextremer Terror in Hamburg war widerwärtig und so schlimm wie Terror von Rechtsextremen und Islamisten“, twitterte der CDU-Politiker. Und Präsidiumsmitglied Jens Spahn schrieb auf Facebook: „Diese vermummten Linksfaschisten zerstören die Autos von Familien, Azubis, Bürgern, sie verletzen Menschen und skandieren Hass. Und zur Belohnung gibt es Applaus von den Linken und eine verständnisvolle Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen. Ätzend.“

Umgehend meldeten sich die Sozialdemokraten. Es galt, den Eindruck zu vermeiden, als linke Partei mit linksex­tremen Gewalttätern gleichgesetzt zu werden. Kanzlerkandidat Martin Schulz bedankte sich, wie Merkel, bei den Sicherheitskräften und sagte: „Wir haben es hier mit Mordbrennern zu tun – mit Gewalttätern, die Mordversuche vorbereiteten und brandschatzend durch die Straßen zogen.“ Und Bundesjustizminister Heiko Maas forderte: „Diese ex­tremistischen Kriminellen gehören nicht auf die Straße, sondern vor Gericht.“

Eine Folge des G20-Gipfels ist also schon zu besichtigen: Die Bilder von Gewalt und Macht sollen im Wahlkampf nutzbringend Verwendung finden.