Gemischtes Doppel
: Social-Media-Polizei

Gewalt sucht Legitimation

„Jedem steht der Rechtsweg offen“ Foto: Twitter

Entsprechend ist ein wichtiges Wort für die Social-Media-RedakteurInnen der Polizei Hamburg. In Kombination mit dem anderen wichtigen Wörtchen Zwang kann man damit wunderbar einen Einsatz als notwendig und angemessen erklären, rechtfertigen und verkaufen. Chaoten sollen ihre Vermummung abnehmen. Sonst: entsprechender Zwang. „Es kommt leider zu ersten Ausschreitungen. Wir setzen entsprechende Zwangsmittel ein“, twitterte die Polizei am Donnerstagabend, als es galt, den von vielen Journalisten als überzogen bewerteten Einsatz gegenüber der ­Welcome-to-Hell-Demo zu rechtfertigen.

Offiziell lautet der Auftrag des Social-Media-Teams: Unterwegs im Auftrag von „Transparenz“, wie Jörg Schröder von der Polizeipressestelle sagt. Durchsichtigkeit und Infos der Polizei sollen am Gipfelwochenende dabei helfen, „das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung“ zu gewährleisten.

Tatsächlich geht es auch darum, die Deutungshoheit über die Geschehnisse zu bekommen. Schreckensmeldungen mit Molotowcocktails und Bildern von Fleischwunden erzeugen ein gewisses Klima in den Kommentarspalten, das rigides Eingreifen legitimiert. Unter dem Tweet „An der Holstenstraße werden Kollegen mit Molotow-Cocktails beworfen & Barrikaden brennen“ finden sich viele Antworten aufgebrachter Twitter-Pöbler: „Dann fangt endlich an zurück zu schießen!“ und „Ich würde die Wasserwerfer mit Pfefferspray befüllen und immer schön draufhalten auf die Menge“ – gelöscht wurden diese Beiträge nicht.

Als Beschwerden darüber auftauchen, dass die Polizei am Donnerstag einen Bus festhielt und ohne Durchsuchungsbeschluss verlangte, dass „die Leute ihre Handys entsperren, weil sie reinschauen wollen“, zeigen sich viele empört. Die Polizei bestätigt die Durchsuchungen auf Twitter. Auf die genervte Feststellung, dass man ja noch „ein bisschen Rechte“ habe, kontert die Polizei mit einem lapidaren: „Da haben Sie Recht. Deswegen steht jedem der Rechtsweg offen.“

Normalerweise besteht das Social-Media-Team der Polizei Hamburg aus vier Leuten, die auf einem Foto ihre Daumen ­heben und als Hobbys Dinge wie „Pizza nach Eis, Stand-Up-Paddling“ oder „Deep Work“ angeben. Am Gipfelwochenende haut die Polizei Mitteilungen rund um die Uhr raus, mit deutlich aufgestocktem Personal – rund 30 Personen sollen allein dafür verantwortlich sein. Entsprechend dem Zwang, die Deutungshoheit nicht zu verlieren. Gareth Joswig