Mit Mikrowellen gegen die Anwohner

Viele Mobilfunkanlagen werden in Nordrhein-Westfalen ohne Aufklärung der Bürger errichtet. Anschließend haben die kaum noch rechtliche Möglichkeiten. Viele wehren sich dennoch gegen die Auswirkungen des Elektrosmog

Plötzlich stand das Ungetüm auf dem Nachbardach. E-Plus hatte dem Münsteraner Ehepaar eine Mobilfunksendeanlage direkt vor die Nase gesetzt. Ohne vorher darüber zu informieren. Wer künftig die Vorzüge des UMTS-Netzes nutzen wolle, dürfe über ein paar harmlose Mikrowellen nicht meckern, so die Idee des Anbieters. Entsetzte Bürger hatten da bereits die Initiative „AusStrahlung“ ins Leben gerufen. Sie fürchten eine gesundheitsschädigende Strahlung der Anlage.

Die rüde Vorgehensweise ist in Städten und Gemeinden offenbar die Regel. In Bonn kämpft dagegen der Wissenschaftsladen Bonn (taz berichtete). Er hat sich zum Ziel gesetzt, wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich und alltagsnah für die Öffentlichkeit aufzubereiten. Nach einer Recherche in einzelnen Bezirken informieren Stadt und Betreiber die BürgerInnen nur unzureichend. Sie fühlen sich durch die Umsetzung der Mobilfunkplanung überrollt. Dabei weisen Umweltmediziner auf immer mehr Fälle hin, bei denen Gesundheitsstörungen wie Migräne, Stimmungsschwankungen oder Schlafprobleme womöglich durch Mobilfunkanlagen verursacht worden sind. Die langfristigen Auswirkungen ihrer Strahlung auf den Menschen sind noch nicht erforscht.

„Wir denken, dass die Lage in anderen Städten NRWs ganz ähnlich aussieht“, sagt Brigitte Peter vom Wissenschaftsladen Bonn. Netzanbieter, Kommunen und Bundesnetzagentur (bis Juli 2005: „Regulierungsbehörde“) hielten die Bürger in einer Black-Box, in der sie über bestehende und geplante Sendemasten nicht aktiv informiert würden. Zwar weise die Datenbank der Bundesnetzagentur die Anlagen auf einer groben Karte aus, ihre Angaben seien jedoch unpräzise. Die vom Bundeswirtschaftsministerium betriebene Agentur habe eher die Interessen der Mobilfunkanbieter im Blick, als die Aufklärung der Bürger, so Peter. Auch auf den Internetseiten von Düsseldorf, Duisburg, Münster und Köln fehlen exakte Angaben, doch die Städte weisen Versäumnisse von sich.

Gerade im Fall geplanter Sendeanlagen dürfe eine Verwaltung die Informationen aus Datenschutzgründen nicht öffentlich bekannt machen, heißt es in Duisburg und Münster. „In der Regel wird nur der Grundstücks-Eigentümer um eine Standorterlaubnis gefragt“, sagt Jochen Brinkheetker, Umweltschutzbeauftragter in Münster. Der sei dann für die Benachrichtigung seiner Mieter und Nachbarn zuständig. Die Betreiber wollten so aufkommende Proteste verhindern. Seien die Masten einmal errichtet, hätten Anwohner rechtlich kaum noch Möglichkeiten, so Brinkheetker. Um sich gegen die Netzbetreiber durchzusetzen, seien Bürgervertreter auch meist nicht fachkundig genug. „Immer wieder behaupten Netzbetreiber, dass man Alternativstandorte für Sendemasten bereits geprüft habe und dass aufgrund der technischen Gegebenheiten eine Standortverschiebung nicht erfolgen könne.“, sagt Peter.

Infolge des Konkurrenzkampfes zwischen den verschiedenen Netzbetreibern sind mittlerweile elf Mobilfunknetze in Deutschland entstanden. „Das verschärft das Problem“, sagt Joachim Gertenbach vom Bundesverband für Elektrosmog in Wuppertal. Das sei so, als wenn es für jede Automobilmarke eine Autobahn gäbe. Dabei könnte eine gemeinsame Nutzung der Netze zu einer enormen Verringerung der Strahlenbelastung beitragen und die Überflutung mit Sendemasten eindämmen, sagt Gertenbach. Sein Verband vermittelt Experten, die in Diskussionen komplexe Zusammenhänge verständlich darlegen und Betroffene im Verfahren beraten. So konnten bereits etliche Mobilfunkanlagen in NRW gestoppt oder bestehende Anlagen verlegt werden. ELLEN KOLLENDER