Wellbeeing Das viel gefürchtete Völkersterben ist für den Imker Sven Dunker kein Thema – er ist einer der letzten in der Lüneburger Heide, der seine Bienen traditionell in Körben hält
: Schwärmen und schwärmen lassen

Der Korb des Imkers: Sven Dunker mit Lüneburger Stülper Foto: Frank Keil

aus der Lüneburger HeideFrank Keil

Na, über was unterhaltet ihr beiden euch?“, fragt die heranwachsende Tochter, die kurz mal reinschaut. „Über die Bienchen?“ In der Tat: Bienen spielen eine große Rolle im Leben von Sven Dunker. „Du musst jeden Tag an deine Bienen denken“, wird er später sagen, als er sich seine mit Kräutern gefüllte Pfeife ansteckt, bevor er einen seiner Bienenkörbe umdreht, um zu schauen, wie es dem in ihm lebenden Bienenvolk aktuell so geht.

Dabei war es nicht unbedingt vorgesehen, dass er heute einer der letzten Imker ist, der noch Korbimkerei betreibt – eine traditionelle und fast ausgestorbene Art der Imkerei in der Lüneburger Heide. Weshalb neulich Jörg Pilawa für einen Einspieler sein Team zu ihm schickte, lautete doch die Frage in dessen Ratequiz „Leuchte des Nordens: „Was ist ein Lüneburger Stülper? Ein Gebäck – eine Kopfbedeckung – oder eine Bienenbehausung?“ Und alle Kandidaten lagen falsch.

Aufgewachsen ist Sven Dunker mitten in Hamburg, im Schanzenviertel. Dann zogen seine Eltern mit ihm in die Lüneburger Heide aufs Dorf. Groß- und erwachsen geworden, ging er zurück in die Stadt. „Aber dann habe ich mich hier auf dem Land in eine Frau verliebt“, erzählt er. Und er ließ die Stadt wieder Stadt sein.

Doch dann starb überraschend sein Schwiegervater, der Imker gewesen war, wie dessen Vater und Großvater Imker waren, das ist so in dem Dorf, in dem Sven Dunker nun lebte. „Und als dann gefragt wurde: ‚Wer macht denn nun die Körbe weiter?‘, habe ich die Hand gehoben.“ Ohne allzu viel über die Imkerei zu wissen. Zum Glück hatte sein Schwiegervater einen Bruder – gleichfalls Imker. „Und der sagte: ‚Komm, wir beide machen das zusammen.‘“ Und er wurde sein Imkervater. Das ist gut 18 Jahre her.

Was ihn noch immer fasziniert, ist die so ganz eigene Arbeitsweise der Korbimkerei: „Der Korbimker versucht möglichst wenig zu intervenieren, damit die Biene nicht gestresst wird; damit sie sich wohl fühlt.“ Außerdem sorge der Korb aus seinen natürlichen Strohmaterialien für ein gutes Klima. Auch die Hygiene sei sehr gut, und selbst schwächere Völker könnten sich in dem kleinen Raum, den ein Korb biete, besser organisieren als in einem großen Kasten. Auch Krankheiten wie etwa die Faulbrut würden kaum auftreten.

Der wesentliche Unterschied zur Kastenimkerei, bei der in einem länglichen Kasten Rahmen eingeführt sind, in dem die Bienen die Waben aufbauen und mit Honig füllen und die man mit einem Handgriff entnehmen kann, aber ist: Der Korb­imker will, dass seine Bienen schwärmen – der Kastenimker versucht genau das zu unterbinden. Dunker sagt: „Für uns Korbimker ist die eigentliche Vermehrung nicht das Eierlegen der Königin, sondern das Schwärmen des Bienenvolkes.“

Die Schwärmzeit beginnt Ende April und reicht bis Mitte Mai, das Bienenvolk hat dann eine hohe Population erreicht. Und teilt sich, und der ausschwärmende Teil mit der alten Königin sucht sich eine neue Unterkunft, während im alten Korb eine neue Königin agiert. Ist Dunker rechtzeitig vor Ort, stülpt er den Fangschwarmbeutel über das Flugloch, eine Art Reuse aus dünnem, aber haltbarem Stoff. Und dann muss er den eingefangenen Schwarm nur noch in einen vorbereiteten Korb gleiten lassen. Kommt er aber zu spät, muss er schon mal auf eine Leiter klettern, um den Schwarm, der gut 15.000 Bienen umfassen kann, von einem Baum zu pflücken, während seine Tochter den Schwarm mit Wasser besprüht, damit er träge wird. In der Regel teilen sich bereits ausgeschwärmte Völker wieder – und aus zehn Völkern werden bis zu dreißig Völker. „In einem Jahr, das wirklich toll war, hatte ich ein Volk, dass sich sechsmal geteilt hat“, erzählt er.

Und im August, wenn die Heide blüht, geht es mit den etwa 30 Körben nach draußen; die Bienen fliegen aus und produzieren so nach und nach in den Körben den Heidehonig. Richtung Ende September endet die Saison: „Die Sonne sinkt dann ab, die Tage sind nicht mehr so lang, die Legeleistung der Königin wird geringer, denn sie orientiert sich an der Länge des Tages, und die Bienen werden langsam schwach.“

Dazu kommt noch ein anderes Phänomen, dass den Bienen zusetzt: „Wenn Sie morgens in der Heide sind und den Sonnentau in der Heide sehen, dann ist die Heide grau. Das kommt von den Spinnennetzen der Kreuzspinnen, in denen sich viele Bienen verfangen.“ Und für Sven Dunker beginnt der zweite, große Arbeitseinsatz des Jahres, so um den 22. September herum: „Nach der Heideblüte, wenn die letzte Brut ausgelaufen ist, führe ich die Völker wieder zusammen.“ Er bringt dazu leere Körbe mit, die er entsprechend gesäubert und vorbereitet hat: „Ich stoße dann die Bienen aus ihrem Korb runter in den neuen und leeren Korb.“ Dabei führt er etwa drei geschwächte Völker zu einem neuen Volk zusammen – und aus dreißig Völkern werden wieder zehn

So hat sich Sven Dunker, von der Ausbildung her Sozialarbeiter, in die Imkerei eingefuchst. Wirbelt mit Fachausdrücken herum, streut mal ein paar plattdeutsche Brocken in seine Rede, ist längst Mitglied im örtlichenImkerverein

Die Körbe ohne die Bienen nimmt er mit nach Hause, bricht die Waben raus, schneidet sie auseinander und steckt sie in einen gestrickten Sack, und mit einer Kolbenpresse presst er den Honig aus den Waben. Der noch Wachspartikel enthält und Pollen und ein wenig dunkler und trüber ist als der geschleuderte und klare Honig. Holt dann die zehn neu bestückten Bienenkörbe nach, bringt sie zurück auf sein Grundstück, wo er sie einwintert und dafür mit Zuckersirup versorgt.

Bis im Frühjahr die zehn Völker sich mittels des erwünschten Ausschwärmens wieder in etwa verdreifachen, um dann im Herbst wieder auf zehn Völker zusammengeführt zu werden. So geht das Jahr für Jahr. „Das ist das Prinzip der Heide­imkerei, abgestellt auf die Tracht aus der Heideblüte.“ Und er sagt: „Ich habe supervitale Bienen; ich habe in meinen Körben so gut wie keine Verluste.“ Das viel diskutierte Bienensterben ist für ihn kein Thema.

Die Bienenkörbe, eben die Lüneburger Stülper, kann man längst nicht mehr kaufen, sondern man muss die Erhaltenen gut pflegen. Einige von Sven Dunkers Exemplaren sind über hundert Jahre alt. Besonders wichtig: die Körbe immer wieder von außen gut zu verputzen, damit die Bienen im Inneren gut gegen Wind und Regen geschützt sind. Und dazu benutzt man Kuhfladen. Aber nicht irgendwelche Kuhfladen – man nimmt die Fladen der jungen Rinder, die nach den Wintermonaten im Stall raus auf die Weiden kommen und die nun von Stallfutter auf Grasfutter wechseln. „Die müssen das frische Gras einmal gefressen und ausgeschissen haben, das gibt dann die ‚gute Maibutter‘, wie wir Imker das nennen.“ Und die schmiere man eben auf das Geflecht. „Das macht die nächsten drei Tage sehr einsam“, lacht Dunker. Bleibt aber einfach das beste Material zum Schutz der Körbe.

So hat sich Sven Dunker, von der Ausbildung her Sozialarbeiter und beschäftigt im Sozialmanagement der Stadt Winsen/Luhe, in die Imkerei eingefuchst. Wirbelt mit Fachausdrücken herum, streut mal ein paar plattdeutsche Brocken in seine Rede, ist längst Mitglied im örtlichen Imkerverein. Er kann fachsimpeln wie ein alter Heidjer, wie sie sich nennen, und bringt sein Engagement wie folgt auf den Punkt: „Ich imker in den Lüneburger Stülpern.“

Die Homepage von Sven Dunker findet sich hier: http://heidehonig.wixsite.com/heidehonig