Entzug ohne Geld

Ab heute berät neues Gremium über Umstrukturierung der Hamburger Suchthilfe. Stetiger Streit zwischen Kassen und Stadt über Finanzierung

Kassen wollten sich nie die Verantwortung für die Drogenhilfe aufbürden lassen

Von Elke Spanner

In einem Punkt ist man sich schon einig, ehe das Gremium seine Arbeit aufgenommen hat: Unversorgte Drogenabhängige kommen die Allgemeinheit „am teuersten zu stehen“. So hat es im Mai vorigen Jahres die „Gesellschaft für Forschung und Beratung im Gesundheits- und Sozialbereich“ (Fogs) formuliert, und sowohl der Senat als auch die Träger der Drogenhilfe haben der Erkenntnis zugestimmt. Allein über die Frage, wer die umfassende Versorgung Suchtkranker in Hamburg finanzieren soll, gibt es Streit.

Die Träger verlangen Zuwendungen von der Stadt, die wiederum will die Krankenkassen verstärkt in die Verantwortung nehmen. Nun werden die unterschiedlichen Kostenträger und Leistungsempfänger erstmals zusammen an einem Tisch beraten: Auf Einladung der Gesundheitsbehörde tritt heute ein neues Koordinierungsgremium für die Suchtkrankenhilfe zusammen.

Dass ein solches Gremium geschaffen wird, hatte Fogs angeregt. Das Kölner Institut hat das Hamburger Drogenhilfesystem im Jahr 2003 evaluiert und in seinem Abschlussbericht im Mai 2004 zahlreiche Empfehlungen zur Fortentwicklung ausgesprochen. Grundsätzlich hatte Fogs festgestellt, dass das Hilfesystem in Hamburg ausdifferenziert ist, sich aber zu wenig an junge Konsumenten und Menschen in frühen Phasen des Drogenmissbrauchs richtet. Mangelhaft seien zudem die Rahmenbedingungen für einen Ausstieg aus der Sucht. Es stünde zu wenig Wohnraum für Abhängige zur Verfügung, auch seien zusätzliche Angebote für deren Schul- und Berufsausbildung vonnöten.

Auch mit der Finanzierung des Hilfesystems hatte das Institut sich befasst – und angeregt, vorrangige Leistungsträger wie Krankenkassen und Rentenversicherung stärker zur Finanzierung von Angeboten heranzuziehen. Dafür mahnte Fogs insbesondere „politische Aktivitäten“ an. Die aber sind bislang mehrfach am Widerstand der Kassen gescheitert, sich die Verantwortung für die Drogenhilfe aufbürden zu lassen.

Obwohl beispielsweise eine wissenschaftliche Studie des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE) die Wirksamkeit von Akupunktur beim Drogenentzug bestätigt hat, weigerten sich die Kassen stets, diese in ihren Leistungskatalog aufzunehmen. Als weiteres Beispiel gilt die Schließung von „Viva Rahlstedt“ Ende 2000, einer Einrichtung für ambulanten Drogenentzug. Neun Jahre hatte der Senat diese finanziert und dies dann von den Kassen verlangt. „Entgiftung ist eine medizinische Leistung“, hatte die Gesundheitsbehörde argumentiert – ohne Erfolg.

In dem neuen Gremium sitzen nun Vertreter von Krankenkassen und Rentenversicherungen mit der Agentur für Arbeit, den Trägern der Suchthilfe, der Ärztekammer, Psychotherapeutenkammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Gesundheitsbehörde an einem Tisch. In dieser Runde sollen Ziele, Finanzierung und Qualitätsstandards der Drogenhilfe entwickelt werden. Am 3. Mai dieses Jahres hatte der Senat als Zielrichtung vorgegeben, das Hamburger Suchthilfesystem „ausstiegsorientiert“ umzustrukturieren, also den Schwerpunkt mehr auf Drogenentzug denn auf die Versorgung der Suchtkranken zu legen. Mit dem neuen Gremium nun, kündigte Gesundheitssenator Jörg Dräger (parteilos) an, „verbessern wir die Qualität der Suchthilfe und sorgen für wirkungsvollere Prävention“.

Der Senat hat aber auch keinen Zweifel daran gelassen, dass diese Qualitätssteigerung die Stadt keinen Cent kosten darf. Nachdem er nach der Veröffentlichung des Fogs-Gutachtens versprochen hatte, die Empfehlungen des Instituts aufzugreifen, mahnte er umgehend, dass natürlich auch „der Drogenhilfebereich seinen Anteil an strukturellen Einsparungen erbringen muss“.