Berlinmusik
: Fuck off or fuck me

Das Genre Elektropop ist kein einfaches: Viele Produktionen klingen beliebig und kaum unterscheidbar, mit simpler Rezeptur angerührt nach der Gleichung: Knackige Beats + eingängige Hookline = Hitpotenzial. Nicht immer geht diese wirklich auf.

Auch bei Ant Antic, einem österreichischen Duo, das kürzlich sein Debütalbum veröffentlicht hat, gibt es Momente, in denen man denkt: Das habe ich doch schon mal so oder so ähnlich gehört. Zum Glück aber ist das nicht der beherrschende Eindruck, der nach dem Hören von „Wealth“, so der Titel des Albums, bleibt. Denn der Wahlberliner Tobias Koett und der Wiener Marco Kleebauer – die Musiker hinter Ant Antic – haben eine Vorliebe für verspielte Sounds, für kleine, versteckte Dreh- und Wendepunkte im Songgewebe, die die elf Stücke insgesamt kurzweilig und ­abwechslungsreich klingen lassen.

Der Sound von Ant Antic erinnert dabei manchmal an die Granden des Indietronica und Elektropop wie Moderat und The Notwist, manchmal auch an Starcombos wie Radiohead oder New Order. Dass die beiden Produzenten und Multiinstrumentalisten nicht neu im Fach sind, ist überdeutlich zu hören – Kleebauer ist zudem Mitglied der zuletzt reüssierenden Pop-/Triphop-Band Leyya.

„Wealth“ ist geprägt von einer kühlen Grundstimmung, hat etwas Abgeklärtes – und kommt zu seinen stärksten Momenten, wenn diese gewisse Grundmelancholie auf pointierte Verse trifft wie in der Single „4Pole“: Zu sanften Klangflächen und schlichten, poppigen Beats singt Tobias Koett über Leere, Mangelgefühle und Einsamkeit – und im Refrain beschreibt er diese Grundstimmung treffend: „Lucky phlegmatic me / I don’t care / Fuck off or fuck me“.

Musikalisch gilt: Je vertrackter und verfrickelter Ant Antic zu Werke gehen, desto spannender wird es. In Stücken wie dem Opener „Mantis“, „Yen“ oder „Juggernaut“ finden sich etwa großartige Interludes, in denen man sich verlieren könnte, in denen sich auch die Musiker gut und gerne verlieren könnten – aber leider bleibt es bei kürzeren Ausschweifungen. Denn dann ist die Neigung zum konventionellen Songwriting zu groß – der Refrain muss doch wieder kommen, wenn man ihn erwartet.

Trotz eines guten Debüts wünscht man Ant Antic also mehr Mut zum Freakout – und auch vom genreüblichen Sound dürfte sich die österreichische Gruppe noch weiter emanzipieren. Jens Uthoff

Ant Antic: „Wealth“ (Seayou Records/Rough Trade)