KUNST

KunstBeate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

Ausgehen ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Die Millenials blieben lieber zu Hause, als sich die Nächte um die Ohren zu schlagen, heißt es, ersetzten FOMO („Fear of missing out“) mit DOMO („Desire of missing out“), verklärten den Rückzug statt den Exzess. Gesünder ist das gewiss, nur schade um den Dancefloor. In der Galerie Noah Klink werfen sich dort ersatzweise Objekte in Pose. Warum auch nicht, schließlich sind es ja ohnehin Konsumgüter, in denen sich Identitäten manifestieren. Wozu noch Jeans und Zigaretten, wenn doch auch Zigarettenjeans allein cool herumstehen können? – „2 Zigaretten“ von Stella Rossié. Wer braucht noch ein echtes +1, wenn man es aus Pappe ausdrucken kann? – „+1“ von Gerrit Frohne Brinkmann. Und vor allem: Wessen blonde Mähne könnte schöner im Ventilatorenwind wehen als die einer grazilen Windhündin? – „Dogatella“ von Anna Lucia Nissen (bis 23. 7., Do.–Sa. 12–18 Uhr, Kulmer Str. 17).

Was wohl passieren würde, wenn man ihr den Ausstellungstitel der aktuellen Duoshow bei Display zurufen würde? „Lean into the curve“ bezieht sich dort jedoch keineswegs auf Vierbeiner, sondern auf die metallenen Objekte Gary Schlingheiders und die halbtransparente Malerei Julia Lia Walters. Schlingheiders Skulpturen entstammen der Serie „30 mm“, für die der Künstler unlängst mit dem Meisterschülerpreis der UdK ausgezeichnet wurde, zu bloßen Umrisslinien abstrahierte Strukturen aus Stahl mit 30 Millimetern Durchmesser. Bei Display lehnen sie an der Wand oder klemmen nonchalant zwischen Heizungsrohren, geben Besucher_innen den Weg durch die Ausstellung vor, die Stufen hinauf und wieder hinunter, scheinen sich im Farbanstrich Walters zu wiederholen und den Raum in Schwingung zu versetzen (bis 2. 7., Di., Sa. + So. 11–18 Uhr, Mansteinstr. 16).

Wirklich schwingend, klingend und rauschend sind indes die Apparaturen Jan-Peter Sonntags im Tieranatomischen Theater. Fast wirkt es so, als könnte er selbst dem in den Displays drumherum verwahrten Archivmaterial sphärische Klänge entlocken. Ausgangspunkt von Sonntags Schau ist der erste elektroakustische Synthesizer der Geschichte, den Hermann von Helmholtz ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte – mithilfe elektromagnetisch gesteuerter Stimmgabeln. Den „Apparat zur künstlichen Zusammensetzung von Vocalklängen“ hat Sonntag nachgebaut, zu hören in seiner Kammeroper „Sinus“ (am 30. Juni, 1. und 8. Juli) wie auch in der Ausstellung, die man am besten gemeinsam mit ihm besucht. Immer samstags ist Sonntag vor Ort (bis 9. 7., Di.–Sa. 14–18 Uhr, Philippstr. 12/13).