Massengrab aus der NS-Zeit entdeckt

Bauarbeiter finden am Stuttgarter Flughafen Knochen, die von jüdischen Zwangsarbeitern stammen könnten

STUTTGART taz ■ Das Stuttgarter Landeskriminalamt bestätigte gestern den Fund eines 60 Jahre alten Massengrabes auf dem Gelände des Stuttgarter Flughafens Leinfelden-Echterdingen. Arbeiter einer Baufirma stießen bei Kanalarbeiten für einen neuen Kontrollpunkt des US-amerikanischen Airfields mit ihren Baggern auf menschliche Knochenteile und alarmierten die Polizei.

Erste gerichtsmedizinische Untersuchungen der mehr als 30 Skelette ergab, dass es sich um die Leichen von jüdischen Zwangsarbeitern handeln könnte. Die Bauarbeiten wurden eingestellt. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft leitete sofort ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Tötung von Insassen des Arbeitslagers Echterdingen gegen unbekannt ein. Sie beauftragte inzwischen die Sondergruppe Nationalsozialistische Gewaltverbrechen des baden-württembergischen Landeskriminalamtes (LKA) mit den Untersuchungen. Die Skelettteile, so LKA-Pressesprecher Ulrich Heffner gestern, müssen erst einmal geborgen werden. Das werde bis zum Wochenende dauern. Die Feststellung der Todesursachen und, wenn möglich, die Identifizierung der Opfer würden aber vermutlich „noch Wochen in Anspruch nehmen“.

Außerdem soll festgestellt werden, welche NS-Einheiten in der fraglichen Zeit zur Bewachung von Zwangsarbeitern in Leinfelden-Echterdingen stationiert waren. Die Ermittlungen, sagte Heffner, „erstrecken sich auch auf Zeitzeugen, die zur Aufklärung der Gesamtumstände beitragen können“.

Erste Recherchen ergaben, dass die Nationalsozialisten gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, zwischen November 1944 und Februar 1945, in einem Hangar am damaligen Fliegerhorst eine Außenstelle des elsässischen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof eingerichtet hatten. Dort mussten die Zwangsarbeiter in eisiger Kälte arbeiten. Überlebende Häftlinge berichteten, dass dort damals in nur drei Monaten 110 Menschen an Hunger und an einer Fleckfieberepidemie gestorben seien. Einige seien im Esslinger Krematorium verbrannt worden. In den acht Lagern in der Region Stuttgart kamen über 3.000 ums Leben. Nach Kriegsende hatte die US-Armee in einem Wald ein jüdisches Massengrab entdeckt und die dort verscharrten 66 Toten exhumieren lassen. Sie wurden auf dem Esslinger Friedhof bestattet. Das Grab auf den Airfields blieb unentdeckt. Die Fundstelle ist seit Montagvormittag weiträumig abgesperrt.

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