: Kein Typ für Handgranaten
Bundesliga Bei seiner Vorstellung auf Schalke schlägt der 31-jährige Trainer Domenico Tedesco eher brave Töne an. Auf eine Spielidee will er sich nicht festlegen lassen. Flexibilität ist ihm wichtiger
Anfang März heuerte er in den dunklen Tiefen der Zweiten Liga bei Erzgebirge Aue an, führte die Sachsen in elf Partien vom letzten Platz zum Klassenerhalt. „Eine kleine Sensation“ nannte er sein Wirken nahe der tschechischen Grenze nun mitten im Ruhrgebiet, räumte aber bescheiden ein: „Ich bin nicht ganz weltfremd, vor einem halben Jahr war ich noch Jugendtrainer in Hoffenheim. Aber in meinem Kopf gibt es keinen Karriereplan, ich denke immer von step zu step.“
Die Schritte – oder vielmehr: Rückschritte –, die der Revierklub unter seinem Vorgänger Markus Weinzierl machte, vor allem aber auch dessen unzureichende Änderungspläne raubten den Schalker Verantwortlichen den Glauben an eine bessere Zukunft. „Uns ist es nicht gelungen, eine Philosophie in unser Spiel zu bringen“, fasste Manager Christian Heidel die zwölfmonatige Schaffenszeit von Weinzierl zusammen. Und drückt sich jetzt selbst am stärksten die Daumen, dass sein goldenes Händchen für Trainertalente bei Tedesco genauso gut funktioniert wie früher in Mainz bei Jürgen Klopp und Thomas Tuchel.
Bei Tedescos Vorstellung rühmte Heidel das taktische Geschick, die Fähigkeiten, eine Mannschaft zu entwickeln, und die ausgeprägte soziale Kompetenz und Kommunikationsbereitschaft des Neuen. „Dass er ein bisschen jünger ist, ist in Ordnung. Darin habe ich ja ein bisschen Erfahrung“, kommentierte der 54-jährige Manager väterlich-selbstverliebt. Während der fast schon jugendlich wirkende Coach an seiner Seite keine starken, sondern eher brave Töne anschlug.
Zu den naheliegenden Vergleichen mit Hoffenheims Erfolgstrainer Julian Nagelsmann etwa sagte er: „Die stören mich nicht.“ Den Fußballlehrer-Lehrgang absolvierten die beiden gemeinsam, Tedesco war mit der Traumnote 1,0 dabei noch besser als Nagelsmann. Bei der Suche nach einem passenden Trainerteam beim FC Schalke halfen ihm die guten Zensuren bislang nicht weiter, zuletzt soll ihm der frühere Nationalspieler Andreas Hinkel abgesagt haben. „Ich bin nicht der Typ, der eine Handgranate reinwirft und die eigenen Leute in einem Verein platziert“, betonte Tedesco in einer kurzen radikalen Anwandlung. Auch in Aue habe er ohne eigenes Trainerteam gearbeitet – denn: „Ich mag neuen Input und Leute, die auch querdenken.“
Mit der ersehnten Spielphilosophie konnte der in Kalabrien geborene Übungsleiter die Schalker allerdings noch nicht beglücken. „Die Qualität der Spieler steht im Vordergrund, der Trainer hat sich ein Stück weit anzupassen“, erklärte Tedesco und deutete an, ähnlich wie Nagelsmann mit der TSG während des Spiels bei Bedarf immer mal die Taktik zu wechseln. „Ich gehe davon aus, dass wir eine Spielidee erkennen. Da geht es um Akzentuierung – deshalb wollen wir sehr flexibel auftreten und uns am Gegner, aber auch an den eigenen Spielern ausrichten.“
Die Auswahl der Assistenten erachtet der frisch mit einem Zweijahresvertrag eingeführte S04-Coach als eminent wichtig. „Schließlich sehe ich diese Leute dann öfter als meine Frau“, sagte er – und umkurvte auch den gemeinen Hinweis auf Vorgänger Weinzierl. Dem sagte bei der Wohnungssuche vor einem Jahr ein potenzieller Vermieter mit der Begründung ab, er suche einen langfristigen Mieter.
Andreas Morbach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen