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Groß gedacht

SpottbilderIm Wilhelm-Busch-Museum in Hannover sind Karikaturen des Österreichers Gerhard Haderer und historische Zeichnungen über „Technische Paradiese“ zu sehen

Cartoon-Star: Gerhard Haderers „Sommerfrisuren-Contest 2016: Die USA siegen knapp vor Holland und Großbritannien“ Foto: Gerhard Haderer

Wer das „Museum Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst“ im Georgenpalais in Hannover betritt, muss sich entscheiden: Schaut man sich die Bildergeschichten, Zeichnungen und Gemälde von Wilhelm Busch an? Macht man einen Streifzug durch die Geschichte der Karikatur vom 16. Jahrhundert bis heute? Oder amüsiert man sich über Kinderbücher von „Max und Moritz“ bis zum „Anti-Struwwelpeter“?

Und dann gibt es noch die Sonderausstellungen. Ein boxender Papst Franziskus, Angela Merkel als Marionettenfigur in der Hand von Recep Tayyip Erdoğan, Donald Trump und Geert Wilders als Frisuren-Modelle – drei Karikaturen aus dem Stern, durch den der Österreicher Gerhard Haderer in Deutschland einem Millionenpublikum bekannt wurde. Unter dem Titel „Think Big!“ stellt das Wilhelm-Busch-Museum derzeit erstmals in Deutschland auch großformatige Ölbilder von Haderer vor, die im Stil Alter Meister unschuldig daherkommen, aber nicht weniger bissig sind als seine übrigen Zeichnungen.

In „Urlaubsgrüße aus Lampedusa“ etwa sitzt ein dickes Paar im bunten Schlauchboot mit Plastikpalme. Für die vielen schwarzen Punkte auf dem blauen Meer hat es keinen Blick – kleine Köpfe von Flüchtlingen, die sich schwimmend in Sicherheit bringen wollen. Auf dem Bild „Der Messias im Vatikan“ von 2014 verhaut Jesus den Papst. Die ihn umgebenden Kardinäle wenden sich angesichts des nackten Hinterns des Papstes mit Schaudern ab.

Neben der Doppelmoral der katholischen Kirche widmet sich Haderer gern dem Thema Sport und Heuchelei. Ein russischer Sportler, der für die Dopingprobe ausgewählt wurde, steht pinkelnd in der Toilette – sein harter Strahl zerstört das Urinalbecken. Hagere Gewichtheber, übergewichtige Sprinter und Schwimmer – so sehen bei Haderer auf seinem Bild „Einmarsch der nicht Gedopten“ die wenigen sauberen Olympiateilnehmer aus. Sein Motto passt gut zum Wilhelm-Busch-Museum: „Ungehorsam ist der Motor des Fortschritts.“

Parallel zur Haderer-Ausstellung sind derzeit mehr als 100 historische Zeichnungen unter dem Titel „Technische Paradiese. Die Zukunft in der Karikatur des 19. Jahrhunderts“ zu sehen. Da sitzen Menschen eng an eng in einem Eisenbahnwagen und können sich nicht rühren. Unter dieser Zeichnung von Honoré Daumier aus dem Jahr 1864 findet sich der Text: „Gelobt seien die Wagons der dritten Klasse. Man riskiert zwar, darin zu ersticken, aber niemals, darin umgebracht zu werden.“

Bedeutende Karikaturisten präsentieren explodierende Maschinen, rußgeschwärzte Bahnreisende, aufgeblasene Erfinder und windige Geschäftsleute, die ihren Zeitgenossen mit vermeintlichen Entdeckungen das Geld aus der Tasche ziehen wollen. An einer Hörstation kann man sich den Roman „20.000 Meilen unter dem Meer“ vorlesen lassen, den Jules Verne 1869 geschrieben hat. Eine fantastische Reise, in der Verne von der Entdeckung eines Unterseeboots unter dem Kommando von Kapitän Nemo berichtet. Dabei mischt der Autor reale und fiktive Erfindungen – die von ihm geschilderte elektrische Deckenbeleuchtung ist ihrer Zeit weit voraus.

Eine Ausstellung über Technikbegeisterung und Technik­skepsis, die den Besucher mit einem Zitat aus dem Jahr 1805 aus der satirischen Zeitschrift Puma entlässt: „Wir werden letztlich vom Denken über Maschinen beim Denken durch Maschinen angelangen.“ Ein Museum, das Jung und Alt zum Lachen und Nachdenken anregt und ins Museumscafé im englischen Landschaftsgarten zum Verweilen einlädt. Joachim Göres

Museum Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Georgengarten, Hannover

„Think Big!“ und „Technische Paradiese“: bis 9. Juli, Di–So 11–18 Uhr

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