Die Gefahr fährt Bus und Bahn

Allein NRW erwartet zur Fußball-WM 2006 rund eine Million Besucher. Nahverkehrs-Unternehmen und Polizei bereiten sich auf eine stressige Zeit vor. Das Zauberwort heißt: Ordnungs-Partnerschaft

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Während halb Fußball-Deutschland darüber flucht, keine Karten für die Fußball-WM 2006 ergattert zu haben, beschäftigen sich Polizei und Nahverkehrs-Unternehmen mit ganz anderen Problemen. Bei einer groß angelegten Sicherheitskonferenz in der Gelsenkirchener Veltins-Arena bereiteten sich gestern mehr als 170 Fachleute, darunter auch zwei Sicherheits-Experten der Londoner U-Bahn, auf das Großereignis vor. 16 der insgesamt 64 WM-Spiele werden in Nordrhein-Westfalen ausgetragen, in Gelsenkirchen, Dortmund und Köln. Rund eine Million Besucher werden erwartet.

Neben der Gefahr, die von Hooligans ausgeht, müssen sich die Ordnungshüter auch auf mögliche Terroranschläge vorbereiten. „Die Bedrohung hat eine ganz neue Dimension erreicht“, sagt NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) mit Blick auf die Anschläge von Madrid und London, wo Busse und Bahnen zum Ziel terroristischer Anschläge geworden waren. Es sei daher wichtig, frühzeitig Ordnungspartnerschaften zu gründen und Netzwerke zu bilden. So kündigte der Verkehrsverband Rhein-Ruhr (VRR) gestern an, bei der WM die Zahl der Sicherheitskräfte von 290 auf 420 aufzustocken. Ausgebildet werden die Sicherheitshelfer mit Mitteln des Landes. Ihre Aufgabe wird es vor allem sein, der Polizei zuzuarbeiten.

Ein bereits bestehendes Netzwerk, das auch bei der WM zum Einsatz kommen wird, ist die Zentralstelle für Regionales Sicherheitsmanagement und Prävention, kurz: ZeRP. An der Sammelstelle für besondere Vorfälle im Nahverkehr sind neben dem VRR die Deutsche Bahn, diverse Städte, die Polizei und der Bundesgrenzschutz beteiligt. Derzeit werden so genannte Meldestrukturen erarbeitet. Soll heißen: Im Notfall informiert das Innenministerium zeitgleich das Landeskriminalamt, den Bundesgrenzschutz und den VRR. Der leitet die Meldung dann an die Zentralen der angebundenen Verkehrsunternehmen weiter.

Federführend bei der Ausarbeitung von Sicherheitskonzepten wird die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG (Bogestra) sein. Das Unternehmen, das neben dem Bochumer Ruhr-Stadion auch die Veltins-Arena mit Fußball-Fans beliefert, ist geprobt im Umgang mit Massenveranstaltungen. „Wir stehen nicht zum ersten Mal vor einer solchen Situation“, sagt Burkhard Rüberg von der Bogestra. Auf Schalke hätten schließlich schon Champions-League-Spiele mit ausländischer Beteiligung stattgefunden. Rüberg setzt sich wie Innenminister Wolf für Netzwerke ein. Technik, zum Beispiel Video-Überwachung, die verstärkt zum Einsatz kommen soll, reichten nicht aus. Und Wolf fügte hinzu: „Das aufmerksame menschliche Auge ist durch Technik nicht zu ersetzen!“

Busse, Bahnen und Stadien sind allerdings nicht die einzigen Gefahrenpunkte bei der WM. Stichwort „public viewing“, was frei übersetzt so viel heißt wie: „öffentlich glotzen“. Auf 15 Plätzen zwischen Bielefeld und Aachen wollen Land und Städte Leinwände aufbauen, damit auch unter Kartenlosen etwas Stadion-Stimmung aufkommt. Die Sicherheit dort werde schon schwieriger, räumte Wolf ein. Es sei nur schwer einzuschätzen, wie viele Menschen zu den jeweiligen Plätzen kommen würden.

Und was ist mit Menschen, die Fußball nicht die Bohne interessiert? Werden sie in ihrem täglichen Leben während der WM Einschnitte hinnehmen müssen, weil alles doppelt und dreifach abgesichert ist? Man bemühe sich um eine „Balance zwischen Freiheit und Sicherheit“, sagt Wolf. Außerdem beschränkten sich die Sicherheitsvorkehrungen lediglich auf 16 Spiele in vier Wochen. An den restlichen Tagen müsste alles normal ablaufen. Und darüber hinaus hat der Innenminister seit dem Weltjugendtag in Köln vor gut einem Monat ja schon Erfahrung im Umgang mit Menschenmassen. „Aber Fußballfans sind mit Pilgern natürlich nicht zu vergleichen“, sagt Wolf. Und kündigt sicherheitshalber schon mal an: „Bei Hooligans werden wir ganz hart durchgreifen!“