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Der gute Mensch aus Elsfleth

irrungen Wie aus dem dänischen Overkøbmand und Sklavenhändler Ludwig Römer durch Fehllektüre ein Kritiker der Sklaverei wurde

Doch nicht so edel: Ludwig Römer Foto: Kongelige Bibliotek

Wir Nachgeborenen hoffen in der Vergangenheit ja stets auch Vorbilder zu treffen. Gute Menschen, die das Übel ihrer Zeit erkannt und sich von ihm abgewandt haben. Auch aus dramaturgischen Gründen ist das praktisch, weil so die Bösen böser wirken. Und der gute Täter, der Paulus-Saulus ist zudem eine tolle Entlastungsfigur. Diese Funktion hat im deutschen antikolonialen Diskurs Anfang des Jahrhunderts Ludwig Römer zugewiesen bekommen.

Der, 1714 in Elsfleth an der Weser geboren, war aus einfachen Verhältnissen kommend zwar zum Overkøbmand in Guinea aufgestiegen, zum Oberkaufmann – also im Grunde zum königlichen Sklavenhändler, er hätte aber dann zu den wenigen gehört, „die sich der Schuld bewusst wurden, die sie durch die Ausübung ihres grausamen Gewerbes auf sich geladen hatten“, so schrieb der mittlerweile verstorbene Stefan Winkle, ehemaliger Leiter des Hamburger Hygieneinstituts, in einem Aufsatz, der voll Zorn und Eifer über Heinrich Carl Schimmelmann herzieht.

Zwar, auch Schimmelmann hatte so seine emanzipatorischen Seiten, aber diese Demontage tat Not: Selbst im Jahr 2003, als der Aufsatz „Firma Schimmelmann und Sohn“ erschien, galt jener Sklavengroßhändler in und um Hamburg noch als toller Typ der regionalen Geschichte des 18. Jahrhunderts: Ein reicher Kaufmann mit politischem Einfluss, „la grande roue“ von Dänemark und was man alles bei Schlossführungen erzählt bekam, damals. Ein Mann dem man eine Büste in Wandsbek aufstellen konnte.

Die ist weg. Römers Ruhm aber hält sich: Noch 2014 taucht er in aktivistischen Web-Präsentationen zum Sklavenhandel als Positivbeispiel auf, das Afrika-Hamburg-Netzwerk zitiert ihn 2012, schon 2004 wird er im Journal Ethnologie gelobt. Und beim Straßennamenkampf in Altona bringt ihn die einflussreiche Hamburger Aktivistin Hannimari Jokinen wie zufällig ins Spiel: Als 2008 das „Frappant-“ in „Christians-Quartier“ umbenannt werden soll, interverniert sie beim Ortsamtsleiter, lässt sich über die Unmenschlichkeit des geplanten Namensgebers aus und schreibt dann über Römer: „Er kritisierte in einem Buch die Europäer, alles eingeführt zu haben,was in Afrika böse ist.“

Ach, hätte Hygieniker Winkle doch etwas sauberer gearbeitet! Römer, den er als Verfasser „eines Buchs über Guinea“ preist, hat gleich zwei geschrieben: „Tilforladelig Efterretning om Negotien paa Kysten Guinea“ ist 1756 erschienen und „Tilforladelig Efterretning om Kysten Guinea“ vier Jahre später, und beide Werke hat der Verfasser sehr schnell auch auf den deutschen Markt gebracht als „Die Handlung verschiedener Völker auf der Küste Guinea“ (1758) und „Nachrichten von der Küste Guineas“ (1769). Tatsächlich war ja der Lebenslauf dieses Aufsteigers interessant, zumal für Norddeutsche. Ihm zufolge hatte Dänemark in Guinea dringenden Bedarf an geschultem und seetüchtigem Personal.

Und Gewinn hatte er genug gemacht: 14 Jahre Sklavenhandel hatten gereicht, die nötigen Kontakte zu knüpfen und genügend Vermögen anzuhäufen, um sich als Zuckersieder in Kopenhagen zu etablieren. Verlockend: Tatsächlich stehen ähnliche Karrieren am Anfang mehrerer in Hamburg, Bremen oder auch Osnabrück bis Mitte des 19. Jahrhunderts entstandener Handelshäuser. Dass Ludewig Rømer als sukkeraffinadør auch nach seiner vermeintlichen Bekehrung keine Skrupel hat, auf einen Rohstoff zu setzen, der exklusiv in Sklavenarbeit gewonnen wird, hat einen simplen Grund: Es gab sie nicht. Im Gegenteil, der Kaufmann empfiehlt mit seinem zweiten Buch sogar eine territoriale Expansion entlang des Flusses Volta zu starten. Denn, „dieser Ort gehört uns“ und „wenn wir, zwey bis dreyhundert Meilen hinauf im Reviere handeln wollten, so könnten wir vielleicht, so wohl unsere, als andere Kolonien in Westindien, von daher mit Sclaven versehen“. Also los, und zwar zügig. Unsere Planteurs brauchen Arbeitskräfte, und es gelte: „Wer am ersten kommt, mahlet am ersten“.

Dokumentarisch haben Römers Schriften großen Wert. Sie schildern die Abläufe des Sklavenhandels nüchtern und detailliert, auch versuchen sie die Geschichte der Versklavten zu rekonstruieren. Und sie halten afrikanische Kritik am Regiment der Europäer fest. Von der sich Römer indes nicht nur selbst ausdrücklich distanziert, sondern gegen die er auch den Bischof von Bergen ein Vorwort verfassen lässt, Erik Pontoppidan selbst, die höchste geistliche Autorität Dänemarks. Und Pontoppidan liefert. Auf Römer gestützt, entfaltet er eine Apologetik, nach der zwar Sklavenhandel als „bedenklich“ gelten muss, aber dann doch nur der Ehre Gottes dient: In ihrem eigenen Lande wäre der „Zustand der guineischen Sclaven“ ja so „jämmerlich, daß er niemals viel elender, unsicherer, und unmenschlicher werden“ könne. „Ein Neger, so aus diesem Lande geführt und nach Westindien gebracht“, weiß der Gottesmann, „wird glücklicher“. Amen. Benno Schirrmeister

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