Frankreich

Am 11. und 18. Juni wählt das Land eine neue Nationalversammlung. Ohne deren Rückhalt kann Präsident Macron wenig ausrichten

„Alles war für uns neu“

DIE ENGAGIERTE Eine junge Ökonomin, Macronistin der ersten Stunde, wird erstmals politisch aktiv. Sie betrachtet „En marche“ als einmalige Chance

Wahlhelferin Sophie Tahiri

PARIS taz | Noch vor einem Jahr war die Bewegung „En marche“ bloß die kühne Idee eines jungen und sehr ehrgeizigen Ministers und einer Hand voll ebenso wagemutiger Anhänger. Jetzt ist der 39-jährige Emmanuel Macron Frankreichs Staatspräsident und die Macronisten sind überall. Um mit ihnen ins Gespräch zu kommen, muss man nur den Hausflur durchqueren.

Dort wohnt Sophie Tahiri, 30 Jahre alt, „Macronistin“ der ersten Stunde. Die Ökonomin arbeitet in einem Finanzunternehmen und macht seit einem Jahr in diesem Quartier auf den linken Seine-Ufer von Paris im lokalen Komitee der Bewegung „En marche“ mit.

Es ist ihr erstes politisches Engagement. „Ich habe mich immer für politische Fragen interessiert, aber es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, einer Partei beizutreten oder mich für eine Person im Speziellen zu engagieren.“ Ihr Wahlverhalten beschreibt sie als Zickzacklinie: Ein Mal für den Zentristen Bayrou, dann für den Konservativen Sarkozy und für den Sozialisten Hollande.

Sie betrachtete „En marche“ dann als einmalige Chance: „Alles war für uns neu zu schaffen in dieser Bewegung. Das gab uns unglaublich viel Freiheit, Aufgaben und Verantwortung.“ So etwas existierte nicht in anderen Parteien, wo alle Posten besetzt seien, sagt sie: „Da musst du zuerst eine lange Karriere machen, bevor du wirklich mitreden und einen Einfluss haben kannst. Bei ‚En marche‘ war das einfach von Anfang an möglich.“

Vielleicht wird sie auch selber bei Wahlen für die Partei von Emmanuel Macron kandidieren. Sie hätte sich sogar bei den jetzigen Parlamentswahlen aufstellen lassen. Aber da haben bereits bekanntere Interessenten den Vorzug erhalten. Nun unterstützt sie deren Kampagne und geduldet sich bis zu den nächsten Europa-, Kommunal- oder Regionalwahlen. Sie ist im Hauptquartier der Partei bei der Ausarbeitung der Finanzpolitik und Fragen des Staatshaushalts beteiligt.

Neben ihren volkswirtschaftlichen Kompetenzen möchte sie auch ihre persönliche Erfahrung in dieses politische Abenteuer, in diese junge und für Menschen mit unterschiedlicher Herkunft offene Partei einbringen: „Ich bin mit zwölf aus Marokko nach Frankreich gekommen. Meine Mutter ist Französin, mein Vater ist Marokkaner und hatte in Marokko eine politische Stellung.“

Die Politik war darum immer ein Thema am Familientisch, wo sie von klein auf das Debattieren gelernt habe. Dennoch seien viele in ihrem Umkreis der Verwandten und Bekannten überrascht von ihrer Begeisterung für die Politik. „Für mich ist das ein schönes Abenteuer und eine gute Erfahrung in einer Gruppe, in der ich viel Positives erlebe. Hinzu kommt nicht zuletzt, dass wir gewinnen!“

Rudolf Balmer