: „Ich liebe das Akkordeon“
Fête de la Musique Mit einem Truck ging es los, Simone Hofmann kutschierte Bands am längsten Tag des Jahres durch Berliner Bezirke. Seit 23 Jahren organisiert sie inzwischen den großen Auftritt der Straßenmusik
interview Andreas Hartmann
taz: Frau Hofmann, morgen, am 21. Juni, ist offizieller Sommerbeginn und die Fête de la Musique findet statt. Sind Sie als Hauptverantwortliche schon aufgeregt?
Simone Hofmann: Ich bin kurz vor der Fête de la Musique kaum aufgeregter als während der ganzen Planungsphase. Es ist ja doch eine sehr große, dezentrale, zersplitterte Veranstaltung, bei der es vor allem im Vorfeld viel zu planen gibt. Das Einzige, was mich am entscheidenden Tag dann noch wirklich umtreibt, ist die Sorge, ob es regnet.
Bereiten Sie sich denn 364 Tage im Jahr auf den einen großen Tag vor?
Ich stehe das ganze Jahr über für Fragen rund um die Fête de la Musique zur Verfügung, richtig und Vollzeit am Programm arbeite ich aber nur sieben Monate im Jahr.
Sie machen das alles allein?
Bis 2009 habe ich das allein gestemmt. Seitdem arbeite ich mit einem kleinen Team.
Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie morgen?
Mit irgendwas um die rund hunderttausend Besucher. Mal kommen nur 80.000, in schlechteren Jahren auch mal nur 70.000, das variiert immer ein wenig. Vielleicht werden es aber morgen auch bombastische 120.000 Besucher. Bei 116 Standorten sind die Besucherzahlen aber gar nicht so leicht zu zählen.
Gab es Jahre, in denen die Fête regelrecht abgesoffen ist?
Die Fête de la Musique fand erstmals am 21. Juni 1982 in Paris statt. Inzwischen feiern weltweit circa 540 Städte am 21. Juni ihr Fest der Musik, bei dem kostenlos und ohne Gagen an ausgesuchten Orten, aber auch einfach nur auf der Straße musiziert wird. Seit 1995 gibt es die Fête auch in Berlin. Infos unter: www.fetedelamusique.de (har)
1997 und 2007 waren Horrorjahre. Mit jeweils sieben Stunden Dauerregen. Die Zahl 7 brachte uns bisher wohl kein Glück. Und da wir nun das Jahr 2017 haben, umschleicht mich durchaus ein mulmiges Gefühl.
Die Wetterprognose für morgen sieht aber ganz gut aus.
Generell besagt die Wetterprognose für den 21. Juni, dass an dem Tag eine achtzigprozentige Regenwahrscheinlichkeit in Berlin besteht. Diesen Mittelwert habe ich mir bereits 1996 von einem meteorologischen Institut errechnen lassen, kurz nachdem wir mit der Fête de la Musique in Berlin gestartet sind. Die gefürchteten Sommergewitter drohen. Inzwischen haben wir aber ein Publikum, das sich sagt: Vom Regen lass ich mir meine Fête nicht verderben. Die rennen dann halt mit dem Regenschirm durch die Gegend.
Dies ist Ihre 23. Fête de la Musique. Wie sah die Fête aus, als Sie mit ihr begonnen haben?
Am Anfang war die Fête eigentlich nur ein Truck. Im Tempodrom fand ein Konzert mit französischen Gruppen statt. Das hatte mir aber nicht genügt, ich wollte schon damals an verschiedene Orte in der Stadt mit der Veranstaltung. Also habe ich mir einen alten Laster besorgt, dann ein paar Bands auf die Ladefläche gestellt. Mit denen bin ich dann durch den Prenzlauer Berg, Charlottenburg, Kreuzberg und Mitte gefahren.
Straßenmusik kann man heute in Berlin ständig und überall erleben. Ist hier nicht jeden Tag Fête de la Musique?
Das kann man so sagen. Ich sag’s aber noch anders: Ja, die Fête de la Musique erfindet nichts, die bildet nur ab. Sie hebt unter ihrem Namen an einem festen Tag im Jahr, mit bestimmten Richtlinien und ohne Eintritt zu verlangen – weltweit übrigens –, das musikalische Potential einer Stadt, das bereits da ist, und bildet es möglichst breitgefächert einfach ab.
52, organisiert von Anfang an, also seit 1995, die Fête de la Musique in Berlin. Sie ist Kulturmanagerin und zudem Gründungsmitglied der Berliner Club Commission.
Sind Ihnen Musiker bekannt, deren Karriere gar bei einer Fête de la Musique begonnen hat?
Eine einzelne Veranstaltung kann keine Karrieren anschieben, aber ein Push-Faktor kann die Fête sicherlich schon sein. Als beispielsweise vor vielen Jahren Seeed bei uns im Mauerpark spielten, da sind den Leuten im Publikum vor Begeisterung die Kinnladen heruntergefallen, inklusive mir. Da war die Band eben noch nicht so bekannt.
Welche Bühnen wollen Sie selbst bei der Fête de la Musique dieses Jahr besuchen?
Ich würde gerne zur Brasserie Ganymed am Schiffbauerdamm. Dort wird es Chanson- und Akkordeonkonzerte geben, und ich liebe das Akkordeon. Ich mag auch Blechbläser, und gleich mehrere Bigbands werden im Kosmetiksalon Babette in der Karl-Marx-Allee auftreten. In das Novilla würde ich auch gerne gehen, wunderschön am Wasser, mit einem tollen Programm. Ich bin außerdem zwar nicht so ein Fan von elektronischer Musik, aber auch das Programm der Else ist in diesem Jahr verblüffend gut. Laid Back werden dort spielen, die hatten in den Achtzigern diesen Riesenhit „Sunshine Reggae“.
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