Eine goldene Fassade hilft auf der Veddel Niemandem
: Kunst von oben herab

Foto: privat

Inselstatus Leyla Yenirce

Was macht man, wenn man über 80.000 Euro für ein Kunstprojekt in einem Stadtteil bekommt? Ein partizipatives Projekt, bei dem die Bürger*innen mit einbezogen werden? Drei Kugeln Eis für alle Kinder, die auf der Straße spielen? HVV-Tickets für diejenigen, die Sozialhilfe beziehen?

Der Quartierskünstler Boran Burchhardt hatte eine bessere Idee. Er entschied sich, eine Hausfassade auf der Veddel zu vergolden. Das bereits im Vorfeld heiß diskutierte Unternehmen wird gerade realisiert. Als ich vor Kurzem mit dem Rad die Veddeler Brückenstraße runterfuhr, konnte ich es selbst bestaunen. Eine gelbe Hebebühne, dessen Beine sich wie eine Krake über den Bürgersteig erstrecken und den Weg versperren, darauf stehend ein Mann, der Klinker mit Gold verziert. Zwei Fenster weiter ein zusammengerolltes Transparent, auf dem Protest gegen diese fragwürdige Aktion verkündet wurde.

Ja, Kunst muss nicht immer Sinn ergeben und sie darf auch provozieren, aber diese Aktion gleicht weniger einer Provokation, als dass sie schier überflüssig ist. Die Begründung des Künstlers, dass er sein Ziel, die Aufmerksamkeit auf die Veddel zu lenken, bereits erreicht habe, klingt wie ein schlechter Scherz. Warum soll denn die Aufmerksamkeit auf die Veddel gelenkt werden? Weil hier die Menschen ein bisschen ärmer sind als in Blankenese? Ist die Veddel interessanter anzuschauen als beispielsweise Pinneberg oder Othmarschen?

Der ständige Blick auf die untere soziale Klasse ist nichts Neues. Man muss aber nicht immer auf die Armen gucken, um zu untersuchen, was in der Gesellschaft falsch läuft oder sagen wir mal unausgewogen. Oft werden bei diesem Top-down-Blick Bilder von ökonomisch schwachen Stadtteilen erzeugt, die nicht der gelebten Realität entsprechen. Wer einmal bei Sonnenschein auf der Veddel oder in Wilhelmsburg unterwegs ist, erlebt alles andere als Tristesse. Hier tobt das Leben auf den Straßen, weil die Wohnungen der meisten Menschen eh zu klein sind, um ständig drin zu bleiben. Es ist also schön hier, auch wenn viele nicht in Villen an der Elbe leben.

Boran Burchhardt ergibt sich aber ziemlich einseitig seiner Sozialromantik und behauptet mit seinem Vorhaben, die Veddel bräuchte einen neuen Glanz. Gold an einer Hausfassade bringt aber niemandem etwas. Dem Künstler kann es ohnehin egal sein, er lebt ja nicht an der Armutsgrenze. Das kommunale Wohnungsunternehmen SAGA hat ihm ein Haus zugewiesen, an dessen Fassade er nun über allen anderen Bewohner*innen schwebend mit Gold hantiert. Weil er es kann. Immerhin wird er von der Kulturbehörde dafür bezahlt.

Dass die Ansichten und Wünsche der Bewohner*innen Veddels mit in das Projekt einbezogen werden, schien kein Credo zu sein, ebenso wenig wie die Tatsache, dass Burchhardt den Gehweg mit der Aktion versperrt. Also, bitte kein Gold für die Veddel! Und wenn überhaupt, dann das nächste Mal an die dort lebenden Menschen.

Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt wöchentlich aus Wilhelmsburg über Spießer, Linke, Gentrifizierer und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie.